Kruder Zauber: ‚Lohengrin‘ in der Deutschen Oper Berlin **

Während das Vorspiel mit seiner sanft ab- und dann wieder aufsteigenden Melodie zart aus dem Orchestergraben erklingt, ist die Bühne ein düsteres Leichenfeld, Frauen suchen ihre Männer oder Angehörigen, brechen schreiend zusammen, werden von anderen tröstend in den Arm genommen. Dann senkt sich vor dieses Bild ein schwarzer Vorhang, auf dem mit weissen, breitem Pinsel das Wort ‚Lohengrin‘ geschrieben ist.
Der dänische Regisseur Kasper Holten (zur Zeit Direktor der Londoner Covent Garden Oper) zeigt in seiner düster-pessimisstischen Inszenierung, wie ein wankelhaftes Volk in einem armen Land von einer als Schutz- oder Friedenengel auftretenden Lichtgestalt verführt und in einen kollektiv-ekstatischen Grössenwahn getrieben wird. Als Idee und Konzept durchaus interessant, aber in der konservativ-altbackenen, szenischen Umsetzung enttäuschend.
Auf der Vorderbühne schreiten gemessen die Solisten, dahinter reihen sich die Damen und Herren des Chors in Kostümen, graue-braunen Uniformen oder Kleidern wie aus dem Alt-Fundus, mal werden die Hände flehend gereckt, mal zu Fäusten geballt. Lohengrin, im langen, weissen Gewand und mit einem Paar (im Brautbett) abnehmbarer Flügel auf dem Rücken, erscheint (Akt 1) im gleisenden Gegenlicht und wallendem Bühnennebel, am Ende (Akt 3) blickt er aufrecht und erhobenen Hauptes zum Bühnenhorizont, das Volk mit ausgestreckter Hand um ihn herum im Kreis gruppiert – wie im expressionistischen Ufa-Film. Der Gang zum Münster (Akt 2) wiederum ereignet sich als Theater auf dem Theater: roter Läufer vor einem Goldportal und ebenso rotem Vorhang, wo hell gekleidete Mädchen Blumenblätter streuen wie einst in Aufführungen der Entsehungszeit. Insgesamt ein krude Mischung gängiger Ideen und Klischees, die sich aber kaum zusammenfügen zu etwas Eigenem oder Neuem – eine Regie ohne persönliche Handschrift.
Dirigent Donald Runnicles versucht die Vorgaben der Regie dadurch zu unterstützen, dass er  eine Reihe von Blechbläser in diversen Saal-Logen postieren lässt und so – verstärkt durch den machtvollen Chor – ungewohnte Lautstärken erzeugt -  als Ausdruck eines gefährlich-pompösen Pathos. Ob das allerdings von Wagner einst so gedacht war, bleibt fraglich.
Insgesamt sorgt Runnicles für flüssiges Musizieren mit schönen Details, beweist der Chor der Deutschen Oper (Chorleiter: William Spaulding) besonders in der Brautszene des 3.Aktes grösste Transparenz und Klangschönheit.
Leider musste in der von mir besuchten 2. Vorstellung der umjubelte Premieren-Lohengrin, Klaus Florian Voigt, krankheitsbedingt absagen. Der kurzfristig eingeflogene Tenor Martin Homrich sang die Partie vom linken Bühnenrand aus (im dunklen Anzug), während ein Statist in Kostüm und Maske stumm den „Retter von Brabant“ mimte. Da der Einspringer nur einen „dünnen“ Lohengrin zu singen vermochte, war diese Doppel-Besetzung keine sehr inspirierende Lösung, doch sie rettete die Vorstellung.
Von den übrigen Sängern überzeugt Petra Lang als temperamentvolle Bühnen-Hexe Ortud mit klarem, schönem Mezzo, während der Bariton Gordon Hawkins als ihr Gatte Telramund stimmlich wie darstellerisch sehr konventionell bleibt. Ricarda Merbeth als Elsa überzeugt mit ihrem kräftigen Sopran in den grossen Ensembles der Finali, der persönliche, lyrische Ton ist ihre Sache nicht.  Als biederer König Heinrich orgelt Albert Dohmen.
„Lohengrin“ ist eine der populärsten Opern Richard Wagners, sie wird viel gespielt und häufig inszeniert – aber überzeugende szenische Lösungen sind rar.  Und auch die neue Produktion der Deutschen Oper bestätigt nur die Schwierigkeit der Regisseure mit dem romantischen Stoff vom Schwanenritter und seiner Verlebendigung für ein Publikum von Heute.

Foto: Marcus Lieberenz/Deutsche Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 22./25./28.April/ 1.Mai 2012