Flotter Dreier: ‚Duato/Forsythe/Goecke‘ beim Staatsballett im Schillertheater ***

Drei abstrakte, zeitgenössische Choreographien, durch zwei Pausen getrennt, auf fast kahler Bühne, ausschliesslich von den Solisten des Staatsballetts getanzt, wobei die Besetzung einzelner Partien in den jeweiligen Vorstellungen wechseln können.
1. „Arcangelo“ des Spaniers Nacho Duato, im Mai 2000 in Madrid uraufgeführt, zu barocker Musik von Arcangelo Corelli (Concerti grossi Nr.6) und (am Schluss) einer Arie von Allessandro Scarlatti. Eine Abfolge von – überwiegend – Duetten für vier Paare in schwarzen, leicht transparenten Trikots. Der Hintergrund ist im unteren Teil dunkel, im obernen golden tapeziert. Rasche Bewegungen, Arme und Beine vielfach angewinkelt, gelegentlich verknoten sich die Körper zu flüchtigen Skulpturen. Wiederholungen und Spiegelungen einzelner Sequenzen finden sich reichlich, am Ende verwickelt sich ein Paar in einen schwarzen Samtvorhang und wird mit ihm – wie im Zirkus – in den Bühnenhimmel gezogen. Ob und was diese elegant und perfekt getanzte Choreographie bedeutet, bleibt den Betrachter überlassen.
2. „Herman Schmerman“ von William Forsythe, 1992 für New York und Frankfurt/Main erdacht, besteht aus einem Quintet für 3 Tänzerinnen und 2 Tänzer sowie einem sich daran anschliessenden Pas-de Deux. Ohne Bühnenbild, die Tänzerinnen in schicken Badeanzügen von Gianni Versace. Grandios huldigt Forsythe – in seiner damaligen Schaffensperiode – dem Spiel mit dem Zerlegen des klassischen Bewegungskanons, immer wieder kippen die Tänzer raffiniert aus der strengen Balance, verdrehen die bekannte Posen ins Komisch-Groteske oder wenden dem Publikum ihre Hinterseite zu. Besonders lustig im Schlussteil des Pas-de-Deux, wenn sich die beiden Tänzer, jetzt in gelben Röckchen,  ‚Disco‘-tanzen. Höchste und vertrackte Präzision zum stark rhythmisierten, elektronischen Musik-Teppich von Forsythe’s Haus-Komponisten Thom Willems. Toll.
3. „And the sky on that cloudy old day“ – eine Uraufführung, die Staatsballettchef Vladimir Malakhov bei dem viel beschäftigten Stuttgarter Hauschoreographen Marco Goecke in Auftrag gegeben hat. Musikalische Grundlage ist das Orchesterstück „Guide to strange places“ des amerikanischen (Post-)Minimalisten John Adams, live und kraftvoll interpretiert von der Staatskapelle unter Paul Connelly (die Musik zu den beiden vorangegangene Stücken kam vom Band). Auf dunkler Bühne lässt Goecke neun Tänzer ( vier Damen, vier Herren und Malakhov selbst) seltsame und oft abgehackte Bewegungen ausführen, zwischen Zittern und Zappeln, meist in wahnwitziger Schnelligkeit. Alle in graue Hosen, die Frauen tragen vor ihren fleichfarbenen BHs merkwürdige Brust-Panzer aus Federn, die Männer präsentieren ihre nackten Oberkörper. Auch dieses neue Stück zeigt fortwährend leicht variierte Wiederholungen von Drehungen oder kurzen Hebefiguren, lässt jedoch keine richtige Entwicklung erkennen und wirkt deshalb auf die Dauer etwas steril. Die Tänzer sind hervorragend, auch Malakhov beeindruckt, selbst wenn seine jugendliche Ausstrahlung (natürlicherweise) reduziert erscheint.
Kein grosser oder bedeutender Abend : die Choreographien von Duato und Goecke bleiben hübsch anzusehen, ebenso harmlos wie gefällig;  echte Klasse besitzt nur das (ältere) Stück von William Forsythe. Bewundernswert aber sind die Solisten, die beweisen, dass sie nicht nur die Kunst des klassischen Balletts, sondern auch die unterschiedlichen Stile des zeitgenössische Tanzes bestens beherrschen.

Foto (‚Arcangelo‘): Bettina Stöss /Staatsballett Berlin

nächste Vorstellungen: 05./17./19.Mai und 02.Juni 2012