Schillerndes Porträt: ‚Ai Wei Wei – Never Sorry‘ von Alison Klayman***

Alison Klayman, amerikanische Dokumentarfilmerin, hat den chinesischen Künstler Ai Wei Wei mehrere Monate mit der Kamera begleitet – bis zu seiner mysteriösen Verhaftung im letzten Jahr. Längere Interviews mit dem Künstler, kürzere mit Familienmitgliedern und Freunden, Statements chinesischer und amerikanischer Galeristen und Journalisten werden mit knappen Alltags-Szenen aus seinem Pekinger Atelier oder der Privat-Wohnung sowie mit vielen älteren Dokumentar-Aufnahmen zu einem leicht verwirrenden und fast atemlosen, modisch-bunten Kaleidoskop zusammengeschnitten.
Die Bilder sind nicht chronologisch geordnet, springen vom gegenwärtigen Peking nach Shanghai oder in die chinesische Provinz, ins New York der achziger und neuziger Jahre (wo Ai Wei Wei zehn Jahre lang lebte), zu längst abgelaufenen Austellungen in München oder London und wieder zurück ins noble Wohnhaus in der chinesischen Metropole. Einmal werden einige schwarz-weiss Fotos von Ai Wei Wei’s Vater, einem regimekritischen und deshalb verfolgten Dichter und Maler, eingeblendet – kurze biographische Hinweise auf Kindheit und Familie. Doch die schnell wechselnden Sequenzen – teils in chinesischer, teils in englischer Sprache (und mit deutschen Untertiteln) – vermitteln nur das Bild eines schlauen Kerls, der mit einer gewissen Kauzigkeit und keckem Witz, eine sture Bürokratie und undurchschaubare Regierungs-Macht immer wieder unterläuft, obwohl diese gelegentlich brutal zurückschlägt und vor körperlichen Verletzungen nicht zurückschreckt.
Ein geschickt auch die ihn begleitende Kamera ausnützender Künstler, der sich für soziale Gerechtigkeit und demokratische Freiheiten einsetzt. So dreht er beispielsweise einen Dokumentarfilm über Schüler in der chinesischen Provinz, die bei einem Erdbeeben ums Leben kamen, weil Ihre Schulen nicht sachgemäss gebaut waren (was die Regierung vertuschte).
Oder er versucht in Polizeibüros und Gerichtsgebäuden unerschrocken und tatkräftig sich für sein Recht und das seiner verfolgten Freunde einzusetzen : ein mutiger Kämpfer ohne Kompromisse, der andererseits aber auch ein lebenslustiger Zeitgenosse ist, wie sein lockeres Verhältnis zu seiner Frau, ebenfalls eine Künstlerin, und zu seiner Freundin, mit der er einen kleinen Sohn hat,
zeigt.
Sein Leben sieht Ai Wei Wei als Gesamtkunstwerk, trennt politisches und künstlerisches Handeln nicht. Doch seine Kunst spielt in diesem Film leider nur eine Nebenrolle. Ein paar Blicke in sein weitläufiges Pekinger Atelier, die berühmte Installation aus Hunderten von farbigen Rucksäcken (die an die verschütteten chinesischen Schüler erinnern sollen) in München oder das riesige, betretbare Feld aus einzel-bemalten Porzellan-Körnern (Symbol für die Millionen chinesischer Individuen) in der Londoner Tate Galerie – das sind zu wenig Hinweise auf das umfangreiche und bedeutende kreative Werk des Künstlers.
Die Amerikanerin Alison Klayman interessiert sich vorrangig für den chinesischen Bürgerrechtler und dessen unermüdlichen Einsatz für Demokratie und unabhängiges Denken. Und so gerät ihre Dokumentation zur emotional aufgeladenen Biographie eines  bewunderten Dissidenten  : ein wenig mehr kritischere Distanz – auch in der hektisch geschnittenen, filmischen Darstellung -  hätte diesem Porträt eines ungewöhnlichen Zeitgenossen sicherlich besser angestanden.

Foto/Poster:DCM-Filmverleih

zu sehen: Babylon Kreuzberg; Filmtheater am Friedrichshain; Hackesche Höfe Kino;Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei u.a. (nur OmU)