Trockenschwimmer: ‚Rusalka‘ im Staatstheater Cottbus***

Von Wasser und Nixen keine Spur:  stattdessen ein blau-grauer Salon mit hohem Tür-Portal im Hintergrund, die ausgehängten Türflügel lehnen daneben an der kahlen Wand. Eine schmale Sprossenleiter ragt in den Bühnenhimmel, aus einem schmalen Spalt davor quillt leichter Nebel. Eine junge Frau im Morgenmantel sitzt im Rollstuhl, während drei Mädchen im weissen Hängerchen Notenblätter verstreuen. Ein alter Mann in bestickter Joppe und braunen Cordhosen, Perlenketten in der Hand, schaut zu.
Regisseur Ralf Nürnberger verrätselt das populäre, melancholische Nixen-Märchen zu einem psychologisierenden Symbol-Drama wie es zur Entstehungszeit von Antonin Dvoraks „Rusalka“ (Prag, 1901) in Europa literarische Mode war. Doch diese Umdeutung bleibt äusserlich, ergibt wenig Sinn und erschliesst der romantischen Fabel keine neuen Aspekte. Warum muss der Wassermann mit seinen herumflatternden Notenblättern sich wie ein Komponist (Dvorak?) gerieren, warum muss der Prinz wie ein geiler Striezzi die (durch die Hexe vom Rollstuhl erlöste) Rusalka auf dem Deckel eines beinlosen Flügel-Instuments bespringen, warum gleichen die ‚komischen Figuren‘ des Jägers und des Küchenjungen einem groteken Maffia-Pärchen mit schwarz-weisser Veste und Melone, und was parodieren sie? Doch auch wenn der Sinn der symbolistisch aufgeplusterten Inszenierung sich kaum erschliesst, optisch hübsch anzusehen ist sie dennoch (das Bühnenbild entwarf der Regisseur selbst, die Kostüme Johannes Haufe).
Dass der Abend aber zum herzlich beklatschten Erfolg wird, verdankt er überwiegend dem engagiert und klangschön spielenden Staatsorchester und seinem temperamentvollen Dirigenten Even Christ. Dvoraks Musik erklingt fein und delikat in ihren Lyrismen, aufrauschend und vielfarbig in den grossen Duetten und dramatischen Aktschlüssen: eine mitreissend musizierte Oper zwischen den Polen Richard Wagner und Richard Strauss.
Als sensible Rusalka überzeugt Judith Kuhn mit einen klaren, leuchtenden Sopran und intensivem Spiel. Marlene Lichtenberg ist eine dämonisch-schlanke, rotlockige Hexe im strengen, schwarzen Kleid, Gesine Forberger als Fremde Fürstin bleibt dagegen eine eher klischeehafte Verführerin. Jens Klaus Wilde als Prinz: ein bewährter Allround-Tenor, Ingo Witzke stimmlich wie darstellerich ein allzu steifer Wassermann. Köstlich die beiden ‚Maffia‘-Clowns Andreas Jäpel und Dirk Kleinke, hübsch anzusehen/anzuhören die – von Studierenden der Musikhochschulen Leipzig und Rostock verkörperten -  Nixen, die hier zu Elfen mutiert sind.
Musikalisch ein ansprechender Abend, szenisch ein ziemlich fader Fisch.

Foto: Marlies Kross/Staatstheater Cottbus

nächste Vorstellungen: 03./21.Oktober 2012