Witzig tönender Stummfilm: ‚Die Zauberflöte‘ in der Komischen Oper Berlin****

Pamina im Bubikopf-Look, Papageno als Doppelgänger von Buster Keaton : Mozart’s humorvoll-idealistisches Märchen von der ‚Zauberflöte‘ als lustiges, manchmal auch doppelbödiges Animations- und Stummfilm-Spektakel.
Die Idee stammt von den beiden Engländern Suzanne Andrade und Paul Berritt, die unter dem ungewöhnlichen Namen „1927“ ein Show-Ensemble leiten, das Live-Auftritte virtuos mit Zeichentricks verbindet. Intendant und Regisseur Barrie Kosky hat nun (zusammen mit den beiden und der Kostüm- und Bühnenbildnerin Esther Bialas) diese verblüffende Methode erstmals bei einer Opern-Inszenierung angewendet : mit grossem Erfolg beim Berliner Publikum – bis März sind fast alle Vorstellungen ausverkauft.  Ob allerdings diese Art der szenischen Umsetzung auch bei anderen Opern als bei dieser neuen „Zauberflöte“ funktionieren könnte oder sollte, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Wenn sich nach der Ouvertüre der rote Samtvorhang hebt, steht Tamino im hellen Scheinwerferspott vor einer grossen, weissen Wand, die für den Zuschauer als solche kaum erkennbar ist, denn auf sie wird ein Film mit einem lustig gezeichneten, dunklen Tannen-Wald projeziert. Und schon kommt bedrohlich – ebenfalls gezeichnet – ein roter Drache dahergebraust, der den singenden Tamino zu verspeisen droht. Wenn da nicht  – ganz oben – plötzlich drei gestandene Damen in dicken Mänteln, Pelzkragen und Hüten der 20er Jahre-Stummfilmzeit auftauchten und – wiederum gezeichnet – glühend-rote Herzchen dem Prinzen zuwerfen. Daraufhin erscheint die ‚Königin der Nacht‘ : ein riesige Spinne mit langen spitzen Beinen, mit denen sie Tamino bedrohlich einzufangen versucht. Der Moor Monostratos trägt ein weiss geschinktes Gesicht und zügelt – wenn er Pamina live bedrängt – böse, schwarze (gezeichnete) Hunde an langer Leine. Sarastro zeigt sich als ein würdrvoller Herr mit hohem Zylinder und auf einem weissen Elephanten sitzend, Papagena ist ein Revue-Girl mit Federbusch auf dem Kopf und die bekannten drei Knaben fliegen als allerliebste Schmetterlinge durch diese Zauberflöten-Welt voller bunter Blumen und exotischen Tieren.
Die üblicherweise gesprochenen Rezitative sind durch graphisch hübsch gestaltete Zwischentitel ersetzt, begleitet von einem Hammerklavier, das die Töne erklingen lässt, als ob Mozart original für eine frühe Filmkomödie komponiert hätte.
Auch im Orchestergraben wird – der Bühnen-Show entsprechend – kraftvoll musiziert, etwas burschikos, weniger feinsinnig oder delikat. Die Sänger (wegen der Repertoire-Vorstellungen sind die meisten Rollen mehrfach besetzt) spielen mit offensichtlichem Spass an der (für sie ungewohnten) Sache, lassen die schwarz-umrandeten Augen rollen, die Arme expressiv recken und die Beine zappeln  – zusammen mit den zahllosen Bild-Einfällen entfaltet sich so eine komisch-ironische Performance, die aber auch einige, anrührende Ruhepunkte besitzt, zum Beispiel wenn Pamina (nach Taminos Verstummen) todestraurig ihre Qual und Angst besingt.
Kleiner Wermutstropfen der Inszenierung: das fulminante, optische Dauer-Feuerwerk drängt Mozarts Musik gelegentlich in eine zwar effektvolle, aber doch lediglich untermalende Funktion. Lyrische oder melancholische Töne werden zugunsten volkstümlich-komödiantischer Szenen und Arien in den Hintergrund gedrängt – was auch für die rein musikalischen Leistungen der Sänger gilt, nicht immer zu ihrem Vorteil.
Dennoch: eine einfallsreiche, intelligent-unterhaltende Opern-Revue – eine Zauberflöte mit ebenso viel burlesken wie charmanten Tönen.

Foto: Iko Freese/drama berlin.de/Komische Oper

Premiere war am 25.November 2012
nächste Vorstellungen: 25.Jan./ 7.Febr./ 3.,22.März/ 4.,9.,11.,16.Mai / 7.Juni/ 4.Juli 2013 (Achtung: teilweise ausverkauft)