Rindvieh, Palmen, Diktatoren: Kurt Weill’s ‚Der Kuhhandel‘ in der Komischen Oper Berlin***

Im März 1933 flüchtete der damals schon weltberühmte Komponist Kurt Weill, geboren 1900 in Dessau, vor den Nazis nach Paris. Dort entstand kurz darauf eine zweiaktige Operette, betitelt: „Der Kuhhandel“, die aber erst in einer englichen Umarbeitung 1935 im Londoner Savoy-Theater uraufgeführt wurde. Da übersiedelte Weill schon an den Broadway, für den er dann erfolgreich zahlreiche Musicals schrieb. Der „Kuhhandel“ geriet in Vergessenheit und erlebte seine deutsche Aufführung deshalb erst sehr spät (in einer revidierten Fassung): 1994 im sächsischen Theater Bautzen.
Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper, darf sich als ehrenwerten Verdienst anrechnen, dieses fast unbekannte Werk im Rahmen einer Kurt-Weill-Woche seines Hauses erstmals in Berlin vorzustellen – wenn auch nur in konzertanter Form. Das Orchester nimmt auf der weiss ausstaffierten Bühne Platz, dahinter der Chor, davor die Solisten samt Notenpult. Sie tragen Smoking oder Cocktail-Kleid, entsprechend dem Handlungsverlauf garniert mit kecken, kleinen Hütchen oder bunten Schärpen.
Erzählt wird die turbulente Geschichte zweier Karibik-Staaten, die sich mit Waffen aufrüsten, deshalb über ihre Verhältnisse leben und darum zusätzliche Steuern dem Volk aufdrücken. Darunter leidet in diesem Fall ein einfaches Liebespaar aus dem Volk, Juan und Juanita, deren Reichtum (und Lebensunterhalt) in einer Kuh besteht, die nun ausgerechnet am Hochzeitstag gepfändet wird. Um eine neue Kuh erwerben zu können, verdingt sich Juan als Hafenarbeiter, geht Juanita ins Bordell – und am bitter-lustigen Ende erklärt der Kriegsminister sich zum angeblich vom Volk gewählten Diktator, auch wenn er dafür eine Backepfeife vom empörten Juan einstecken muss. Ende gut, Alles gut ?
Weill hat für diese krud-verwickelte Polit-Satire (Libretto: Robert Vambery, ein Emigrant ungarischer Herkunft und ehemals Dramaturg am Theater am Schiffbauerdamm) eine eingängige Musik erdacht, die die Berliner ‚Dreigroschen‘-Zeit mit Wiener Blut und Pariser Leben mischt und zugleich die angelsächsiche ‚musical comedy‘ ahnen lässt. Walzer trifft auf Tango, lakonische Songs auf opulente Opern-Finali. Wenn auch kein Super-Hit dabei heraussprang – rhythmisch vital, melancholisch oder süffig ist Weillsche Musik in ihrem leicht erkennbaren, sehr persönlichen Stil allemal. Wenn da nur nicht das banale Textbuch mit seiner verwirrenden Story wäre…
Die Komische Oper hat das Beste daraus gemacht: eine Nummern-Revue, die von einem agilen Moderator zusammengehalten wird. Der Schauspieler Max Hopp erzählt nicht nur die Handlung, sondern kommentiert mit launigen Bemerkungen das undurchsichtige Geschehen, die Auftritte der Sänger und des Dirigenten ( „Bitte, ein Applauss für…“) und rollt sogar ein prächtig ausgestopftes Rindvieh an die Rampe.
Das Orchester spielt etwas brav (Leitung: der  mit-wippende Dessauer Generalmusikdirektor Antony Hermus) , doch die Sänger singen und mimen mit ansteckendem Engagement – allen voran Vincent Wolfsteiner als tenor-gestählter Juan, Ina Kringelborn als liebreizend blonde Juanita und Daniel Schmutzhard in der Maske des kriegslüsternen Möchtegern-Diktator. Publikums-Liebling aber ist Max Hopp, der als moderierender Waffen-Lobbyist äussert agil und mit aalglatter Eleganz den verzwickten Kuh- und Waffenhandel zu seinem freundlich beklatschen Schein-‚Happy End‘ treibt.
Ein wenig Scherz, ein bisschen Satire und Ironie, aber kaum tiefere Bedeutung. Weill’s parodistische Operette dürfte  – der hübschen Präsentation der Komischen Oper zum Trotz  – sich auch in Zukunft kaum als einträgliches Handelsobjekt erweisen.

nächste Vorstellung:22.Januar 2013