Wuchtiges Pathos: ‚Les Miserables‘ von Tom Hooper**

Lang erwartete Verfilmung des französischen Musicals von Claude-Michel Schönberg, das in seiner englischsprachigen Version (London 1985) zum Dauerbrenner in aller Welt wurde.
Die Geschichte – basierend auf dem in Frankreich zum allgemeinen Bildungsgut gehörenden Roman von Victor Hugo – spielt in nach-napoleonischer Zeit und schildert die Lebens- und Leidensgeschichte des Jean Valjean, der nach 19jähriger Haft (wegen eines Brot-Diebstahls) auf Bewährung entlassen wird;  dem ein moralischer Neuanfang als Fabrikbesitzer und Bürgermeister gelingt, der aber zugleich von seinem Intim-Feind Javert, einem sturen und selbstgerechten Polizisten, unerbittlich verfolgt wird. Valjean rettet die kleine Tochter Cosette der zur Hure herabgesunkenen Fabrikarbeiterin Fantine, gerät in die Wirren der Pariser Revolution von 1832, überlebt und verhilft dabei noch Cosette zu einer glücklichen Heirat.
Regisseur Tom Hooper hält sich brav an die szenische und musikalische Vorlage, versetzt allerdings das turbulente Geschehen aus dem engen Bühnenraum in reale französsischen Berg-Landschaften oder üppige Pariser Stadt-Kulissen. Die Kostüme sind bunt, die Kamera ist ausserordentlich beweglich, rasst in wilden Fahrten durch enge Alt-Stadt-Gassen, Wirtshaus- oder Kloster-Höfe, in Abwasserkanäle, auf hohe Mauerzinnen und über steil errichtete Barrikaden. Bei den intimen Szenen dagegen, in denen die Darsteller ihre innere Verfassung in opernhaft-ausladenden Arien oder Duetten besingen, verharrt das Bild ausschliesslich in Nah- oder Gross-Aufnahmen der jeweiligen Gesichter.
Hugh Jackmann spielt und singt überzeugend den sich vom hasserfüllten Underdog zum väterlich aufrechten Bürger wandelnden Jean Valjean, während Russel Crowe als sein böser Gegenpart Javert eher steiff und hölzern agiert. Anne Hathaway hat als sterbende Fantine – auch gesanglich – anrührende Momente, Amanda Seyfried und Eddie Redmayne als jugendliches Liebespaar bleiben  nett und blass. Herausragend: das ebenso temperament- wie lustvoll chargierende, aalglatte Intriganten-Paar von Sacha Baron Cohen und Helena Bonham Carter.
Tom Hooper und sein Team haben mit grossem Aufwand und einigem Geschick das erfolgreiche Bühnenstück auf die Leinwand übertragen – aber eine neue Sicht oder gar einen aktuellen Blick haben sie nicht gefunden. Was bleibt ist ein unbefriedigender Wechselbalg: weder lebendig dokumentiertes Theater noch echtes, film-spezifisches Musical.

Foto/Poster: Universal Pictures Germany

zu sehen u.a.: CineStar Sony Center (OV); CineStar Event (OmU); Cubix (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; CineMotion Hohenschönhausen; Delphi; International; Colosseum