Politik und Marketing: ‚NO!‘ von Pablo Larrain****

Der chilenische General und Diktator Augusto Pinochet war sich seiner Herrschaft so sicher, dass er für Oktober 1988 eine Volks-Befragung anberaumte, in der die Bürger über seine Wiederwahl im darauffolgenden Jahr mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen konnten. Zugleich sollte mit diesem Referendum die – seiner Diktatur gegenüber kritische – Weltöffentlichkeit besänftigt werden, zumal Pinochet und seine Generäle wegen der unter ihrer Regierung erzielten wirtschaftlichen Prosperität die grosse Masse der Chilenen hinter sich wussten. Da konnte der Diktator es sich sogar leisten, den Oppositions-Parteien täglich 15 Minuten Wahlwerbung im Staatsfernsehn zu erlauben (wenn auch zu nachtschlafender Zeit).
Die Geschichte dieses kurzen, nur ein paar Wochen dauernden, kuriosen Wahlkampfes erzählt der chilenische Regisseur Pablo Larrain, der sich schon zuvor in zwei Spielfilmen mit der politischen Vergangenheit seines Landes auseinandergesetzt hat.
Im Mittelpunkt steht der junge Werbefachmann René Saavedra – ruhig und intensiv verkörpert vom mexikanischen Star-Schauspieler Gael Garcia Bernal („Die Reise des jungen Che“,“La Mala Education“,“Babel“).
Obwohl sein Chef regierungstreu und er eher unpolitisch ist, lässt René sich überreden, die TV-Kampagne für die vereinigten Oppositions-Parteien mitzugestalten. Doch zunächst verstört sein  – nach kommerziellen Werbestrategien organisiertes -  Konzept: dessen Ziel ist nicht die schreckliche Vergangenheit und Gegenwart anklägerisch aufzubereiten, sondern Hoffnung zu wecken auf eine zukünftige, fröhliche Demokratie, ‚allegria‘ heisst hierfür das spanische Zauberwort.
Aber auch persönlich gerät René durch sein Engagement für die Opposition in Schwierigkeiten; der Geheimdienst scheint ihn und seinen bei ihm wohnenden kleinen Sohn zu bedrohen und zu verfolgen. Doch am Ende geschieht das Unwahrscheinliche: seine Kampagne mit dem gekrümmten Regenbogen hinter dem dicken, schwarzen NO, seine Spots mit fröhlich tanzenden und singenden Menschen, gelegentlich unterbrochen von Auftritten verfolgter Politiker oder Dokumentar-Szenen brutaler Polizei-Gewalt, diese – bei vielen der Oppositionellen heiss umstrittenen – Wahl-Sendungen führen zum Sieg und zum (langsamen) Übergang Chiles zur Demokratie.
Im Epilog spielt René – inzwischen Teilhaber in der Firma seines Chefs – neue Werbe-Clips einer gutbetuchten Kundschaft vor – mit wachem, nachdenklichem Blick…
Regisseur Pablo Larrain liess den Film in einem altmodische Video-Format (mit Unschärfen und verwaschenen Farben) drehen, um sie den eingefügteen Original-Dokumenten anzugleichen. Inhaltlich erzählt er seine Geschichte mit komödiantischen oder satirischen Untertönen als sehr unterhaltsamen Polit-Thriller. Ganz wie seine Hauptfigur: nicht anklägerisch, sondern freundlich-listig überredend. Ohne dabei die politische Wirklichkeit der Schreckens-Diktatur Pinochets mit ihren Tausenden Ermorderter, Gefolteter oder Vermissten zu bagatellisieren oder als verharmlosenden Hintergrund zu missbrauchen. Aber ohne agressiv zugespitzte Anklage – wie sie auch viele der Oppositionellen im Film gefordert haben.
Kein Zufall, dass Cannes und Hollywood begeistert waren – wenn auch die diesjährige Oscar-Nominierung als bester fremdsprachiger Film gegenüber Michael Hanekes „Liebe“(Amour) keine Chancen hatte.

Poster/Foto/Verleih: Piffl Medien GmbH

zu sehen:Hackesche Höfe Kino (Sp.OmU); Neues Off (Sp.OmU); Filmtheater am Friedrichshain; Kant-Kino; Passage