Alltag einer Ehe: ‚Take This Waltz‘ von Sarah Polley***

Margot und Lou, ein junges Paar, seit 5 Jahren glücklich verheiratet, noch kinderlos, wohnen in einem hübschen Vorort-Häuschen im kanadischen Toronto. Sie betätigt sich als Reiseschriftstellerin, er testet Rezepte und schreibt Kochbücher. Freundlich unkomplizierter Alltag mit gelegentlichen Besuchen von oder bei Verwandten und Freunden. Als der Kunstmaler Daniel, der sich seine Miete als Rikscha-Fahrer verdient, eines Tages als neuer Nachbar auftaucht, beginnt es unter der idyllischen Oberfläche zu brodeln: Margot fühlt – zunächst ganz unbewusst – , dass in ihrer Ehe etwas fehlt, dass ihre Beziehung zu dem gutmütigen Lou sich ändert. Doch auch als ihr klar wird, dass sie sich in Daniel heftig verliebt hat, will sich keine Entscheidung treffen zwischen den beiden Männern. Erst als der Künstler entäuscht in ein anderes Wohnviertel zieht, verlässt Margot ihren verdatterten und ratlosen Ehemann, zieht zum Geliebten. Am Schluss des Films jedoch sitzt Margot in der Karusell-Gondel eines Vergnügungsparkes, in der sie einst, als sie noch mit Lou zusammen lebte, mit Daniel einen glücklichen Nachmittag verbracht hatte  – jetzt ganz allein. Bedeutet dies das Ende des Verhältnisses mit Daniel?
Es sind ganz normale Leute, die die kanadische Regisseurin (und Schauspielerin) Sarah Polley porträtiert, junge Durchschnitts-Bürger des gehobenen Mittelstandes – auch wenn das soziale Umfeld in seiner Beschreibung etwas vage bleibt. Polley, die auch am Drehbuch mitarbeitete, interessiert sich in erster Linie für die Psychologie ihrer weiblichen Hauptfigur, konzentriert sich auf die inneren Veränderungen, die in der Beziehung der mädchenhaft sanften Margot zuerst zu ihrem Mann Lou, dann auch zum Geliebten Daniel vorgehen. Das ganz allmähliche Bewusstwerden einer Änderung ihrer Gefühls- und Lebenswelt. Gegen die sie sich am Anfang stark wehrt, und die sie nur langsam – auch rational – erkennt und akzeptiert.
Erzählt wird diese innere Wandlung der Gefühle überwiegend in filmischen Ellipsen. Sarah Polley hat sich attraktive Bild-Sequenzen dafür einfallen lasssen, wie beispielsweise die erwähnten Szenen auf dem rotierenden Karusell oder jene exzentrische Kamerafahrt, die Margot und Daniel beim Liebesakt in dessen neuem Loft zur filmtitelgebenden Musik von Leonard Cohens „Take This Waltz“ ständig  umkreist. Und mit jeder neuen Umdrehung füllt sich der Raum mit Möbeln und Requisiten, verändern sich Haltung und Kleider der Personen – schreitet die Zeit fort.
Leider walzt Polley ihre schönen Regie-Einfälle oft allzu sehr aus, so dass der Spannungsfaden lahmt und die Geschichte sich in die Länge zieht.
Das Glück des Films aber sind seine beiden wunderbaren Hauptdarsteller, die aus dem gedanklichen Konstrukt der Story erst echte Menschen machen: Michelle Williams als mädchenhaft unbefangene und zugleich taffe Margot sowie der etwas korpulente Seth Rogen als ihr Ehemann Lou: ein netter, lustiger Kumpel, der zum melancholischen Verlierer wird. Luke Kirby als Künstler Daniel bleibt schön und blass.
Sarah Polleys hat diese Veränderung einer Ehe-Beziehung sehr genau und ohne moralische Wertung beobachtet und einfallsreich in Szene gesetzt – ist dabei aber ins Weitschweifige geraten. Dadurch  mangelt es dem Film an Spannung und dramatischem Biss.

Poster/ Verleih: Kool

zu sehen: Central Hackescher Markt (OmU); fsk (OmU); Bundesplatz-Kino; CinemaxX Potsdamer Platz; Filmtheater am Friedrichshain; Kant-Kino; Passage Neukölln