Opern-Paraphrase: ‚La Finta Giardiniera‘ – wieder in der Staatsoper im Schillertheater***

Mozart war achzehn Jahre alt, als er seine Oper „La finta Giardiniera“ als Auftragswerk für München schrieb. Grundlage war ein italienisches Libretto, das in der Art der buffa-opera die Liebesverwicklungen dreier Paare auf dem Landgut eines reichen Adligen schilderte. Der Erfolg nach der Uraufführung im Januar 1775 war so gross, dass bald darauf eine deutsche – von Mozart wohl gebilligte – Fassung entstand, die ebenfalls mit grossem Erfolg in verschiedenen Städten gezeigt wurde. Dennoch geriet diese ‚Schlaue Gärtnerin‘ schnell in Vergessenheit und wurde erst wieder in der Mittes des 20.Jahrhunderts von einigen Theatern in unterschiedlichen Fassungen wiederbelebt.
Im November 2012 hat der Regisseur Hans Neuenfels seinerseits das Mozartsche Frühwerk unter dem Titel „Die Pforten der Liebe“ für die Staatsoper Berlin bearbeitet und zur Premiere gebracht, und jetzt in einer Wiederaufnahme erneut zur Diskussion gestellt.
Die Musik Mozarts, hauptsächlich Arien und nur wenige Ensemble-Nummern, bleibt unangetastet, und auch die Grundkonstellation der Handlung wird beibehalten. Gesungen wird in der italienischen Originalsprache, die Texte zwischen den Gesangsnummern sind deutsch und vollkommen neu. Ausserdem hat Neuenfels ein weiteres, ausschliesslich sprechendes Paar hinzuerfunden: einen Grafen und eine Gräfin, die über Mozart, Sex, Liebe und Tod räsonieren: Rollen, die Elisabeth Trissenaar und Markus Boysen mit weissen Perücken und lässiger Eleganz verkörpern – die berühmten ‚Gefährlichen Liebschaften‘ von Laclos lassen grüssen.
Ob diese personelle Ergänzung viel Sinn macht oder das Ganze nur in die Länge zieht, bleibt unentschieden. Denn Neuenfels verzichtet auch auf eine flüssig ablaufende Handlung. Statt dessen stellt er die einzelnen Personen demonstrativ aus, gleichsam eine Reihung von Solo-Dramen – jedes eine Spielart der Liebe verkörpernd: den bis zur Mord-Attacke eifersüchtigen Grafen Belfiore, die ihn trotzdem liebende und als verkleidete Gärtnerin suchende Marchesa Violante; der alte geile Gutsbesitzer (Podestá) und die ihn verachtende, aber um seines Geldes wegen schätzende Dienerin Serpetta; die von ihrem Liebhaber Ramiro zurückgewiesene und dann nach Rache schreiende Nichte Arminda. Dass dieser Liebhaber Ramiro (bei Mozart eine Hosenrolle) sich in dieser Fassung offen als verkleidete Frau outen muss, mag als weitere Spielart der Liebe gedacht sein, wirkt jedoch in diesem Fall recht aufgesetzt.
Neuenfels‘ zweisprachige Spiel-Fassung der alten Buffa ist intelligentes Theater von heute, klug und kenntnisreich, aber oft auch allzu kopflastig. So recht kommt die Geschichte nicht in Schwung, so kunstvoll der auch als Regisseur fungierende Neuenfels und sein Ausstatter Reinhard von der Thannen die unterschiedlichen Liebes-Facetten in Szene gesetzt haben – mal im dunklen, leeren Raum, mal vor bemalter Kulisse. Sieben pantomimische Hilfskräfte – in kurzen Hosen und bunten T-Shirts – schieben farbige Möbelstücke oder gläserne Särge umher, treiben derbe Scherze mit Möhren und Orangen oder helfen den Marquisen und Grafen zu effektvollen Auf- und Abtritten. Ein proffessionell-souveränes Spiel mit und auf dem Theater, das ohne Mozarts Musik allerdings ins Beliebige oder Belanglose abgleiten würde.
Der englische Dirigent Christopher Moulds animiert die Staatskapelle zu flüssigem Musizieren und begleitet die darstellerisch stark geforderten Sänger mit helfender Aufmerksamkeit. Annette Dasch ist die als Gärtnerin verkleidete, liebende Marchesa: eine junge Frau, blond, in schwarz fliessendem Gewand, mit schönem Piano. Eine Entdeckung: der lyrische Tenor Joel Prieto, ein schmaler Jüngling mit scharzer Haartolle und flexibler, warmer Stimme. Alex Penda, roter Samt, weisser Pelz, ist die racheschwörende Mezzo-Furie und Stephanie Atanasov, als verkleideter Mann eher dünn bei Stimme, läuft erst als verstossene Frau in schwarzen Dessous zu grosser Form auf. Ein hübsches Dienerpaar: die schwyzerdütsch plappernde, koloratur-schnippische Serpetta von Regula Mühlemann und der komisch brummelnde Bariton Aris Argiris als etwas täppischer Diener Nardo. Stephan Rügamer spielt mit Glatze, Korsett und etwas engem Tenor den eigentlichen Verlierer im wilden Liebesreigen – den am Ende alleingelassenen Gutsherrn.
Neuenfels hat einzelne Musiknummern entsprechend seinem Konzept umgestellt – so folgt auf das (ursprüngliche) Happy-End Finale, nach dem hier die einzelnen Personen auseinanderlaufen, erst das versöhnliche Duett der ‚finta giardiniera‘ und ihres gräflichen Geliebten – und im Hintergrund verweisen – schwach schimmernd – Sonne, Mond und Erde auf kosmischen Dimensionen:  der Liebe?

Foto: Ruth Walz / Staatsoper Berlin

nächste Vorstellungen: 11./19.April 2013