Schriller Kinder-Geburtstag: ‚Ein Sommernachtstraum‘ in der Komischen Oper Berlin**

Statt des Shakepeare’schen Zauberwaldes: eine steile Felsenschlucht mit dunklen Höhlen. Oberon und Titania, in blass-blauer Seide, streiten sich nicht um einen schönen Knaben, sondern um eine winzige Baby-Puppe, ihr Hofstaat, die Elfen (vom Komponisten für Kinderchor geschrieben) gleichen einer verhuschten Schar greisenhafter Liliputaner. Puck ist ein grauhaariger Herr in kurzen Hosen, der einem Plüsch-Teddybär das rote Herz entreisst und mit dessen Blut für die Liebes-Verwirrung bei Titania und den beiden jungen – hier in die Steinwüste geflohenen – Liebespaaren bewirkt. Die Handwerker, die für die fürstliche Hochzeit das (scheinbar) tragische Spiel von ‚Pyramus und Thisbe‘ proben, erweisen sich als schräge Totengräber, die die vielen herumgeworfenen und malträtierten Kuschel-Teddys unter die Erde bringen. Und wenn sich dann nach zwei langen Akten die Verwechslungen wieder gelöst und die in Windeseile gealterten Paare gefunden haben, dürfen alle – vor nacht-schwarzer Wand – einen grellen Kindergeburtstag feiern: in pop-bunten Hängerchen und mit grotesken Schleifen im Haar. Während Zettel und seine Kumpel – jetzt in schwarzen Trikots mit weiss aufgemaltem Skelett – dazu einen deftigen Komödien-Stadl vorführen.
Benjamin Brittens „Sommernachtstraum“, 1960 bei seinem eigenen Festival in Aldeburgh uraufgeführt und kurz darauf in einer berühmten Inszenierung von Walter Felsenstein an der Komischen Oper nachgespielt, ist bestimmt nicht sein bestes Bühnenwerk. Aber eine durchaus ansprechende und repertoire-taugliche Oper, die vor allem mit vielen lyrisch-zarten Passagen bezaubert.  Das Orchester der Komischen Oper unter der Leitung von Kristiina Poska kostet solch fein instrumentierte Passagen delikat aus, weiss aber auch das grosse Sängerensemble an den dramatischen Höhenpunkten kraftvoll zu unterstützen. Ein bisschen pauschal und vordergründig bleibt allerdings alles, das Raffinement, auch das Geheimnisvolle von Brittens Sommernacht ist nicht immer hörbar.
Die vielen Sänger haben es in dieser Oper schwer, individuelles Profil zu entwickeln.  Am überzeugensten gelingt es dem quick-lebendigen Zettel des Stefan Sevenich oder der sopran-flinken Titania von Nicole Chevalier. Doch als  Ensemble-Leistung (einschliesslich des prächtigen Kinderchores) bestätigt der Abend durchaus überzeugend das hohe Niveau des Hausen in der Behrenstrasse.
Leider lässt sich das von der Regie des Gastes aus Lettland, Viestur Kairish, nicht sagen. Viele Einfälle, die als Ideen klug oder einsichtig wirken, verpuffen bei ihrer Umsetzung ins Unklare oder Alberne. Und gelegentlich sogar ins Dümmlich-Zotige, etwa das Spiel mit Zettels überlangem Penis als Esel. Aus dem vielschichtigen und doppeldeutigen „Sommernachtstraum“ wird so ein kruder Mix aus übersteigerter Groteske, verquaster Küchen-Psychologie und plattem Schwank. Bei drei Stunden Spieldauer ziemlich ermüdend. Schade.

Foto: Komische Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 21./29.Sept.//4./10./26.Okt.2013