Schrille Show: ‚Liberace‘ von Steven Soderbergh****

Steven Soderbergh’s Film ist keine Bio-Pic über den US-Entertainer Liberace, sondern schildert ausschliesslich dessen späte Beziehung zu dem jungen, angehenden Veterinärmediziner Scott Thorson, auf dessen Erinnerungen das Drehbuch basiert. Es sind etwa die letzten 10 Jahre in Liberace’s Karriere, der 1987 – am Ende des Films – im Alter von 67 Jahren in Palm Springs an Aids stirbt. Soderbergh zeigt vor allem, was „Behind the Candelabras“- so der Originaltitel – geschieht. Wie der alternde Glamour-Star, der seine Homosexualität in der Öffentlichkeit stehts verleugnet (sogar gerichtlich), privat aber in seiner ganzen Exaltiertheit ein unermüdlicher Jäger nach jungem Männerfleich ist. Wie er den unerfahrenen Scott durch ein Leben in unvergleichlichem Luxus gewinnt, verführt und adoptiert und wie diese glamouröse Beziehung des ungleichen Paares nach einigen Jahren immer mehr zerbröselt und endlich ganz zerbricht.
Die Kunst des Regisseurs und seines Drehbuchschreibers besteht dabei in der geschickt austarierten Balance zwischen Kitsch und Kunst, Realität und Groteske, durch die er vermeidet aus Liberace und seinem Liebhaber schrille Karikaturen zu machen -  obwohl der Lebensstil Liberace’s mit seinen pompösen Kronleuchtern, protzigen Juwelen, teuren Pelzen und ausgefallenen Kostüm-Kleidern, den zahlreichen Villen, Luxus-Autos, Privat-Flugzeugen leicht dazu verleitet. Auch die das Paar umgebende Entourage von Anwälten, Show-Gestaltern, Schönheitschirurgen, Freunden und Beratern wird in ihren Extravaganzen mit feiner Ironie, aber ganz real und sehr menschlich gezeigt. Und in einer wunderbar-leisen Szene taucht auch Liberace’s legendäre Mutter auf – klaglos vereinsamend in ihrem luxuriösen Pflegeheim.
Doch getragen wird der Film von seinen grossartigen Darstellern. Michael Douglas als Liberace – einerseits der selbstbewusste Superstar des Showbussiness, grosskotzig und affektiert, ein harter Geschäftsmann, andererseits vermag er grossen Charme und Herzlichkeit auszustrahlen – und er  besitzt viel schlagkräftigen Witz und Selbstironie. Mit spielerischem Furor bündelt Douglas all diese Facetten zu einer schillernden, anrührenden, zwiespältig-menschlichen Figur. Und Matt Demon ist ihm ein ebenbürtiger Partner, der die Naivität des jungen Liebhaber, dessen oft verzweifelte Selbstbehauptung, seine missglückten Fluchtversuche aus dem goldenen Käfig und die endgültige Niederlage überzeugend und glaubhaft verkörpert. Sehr sorgfältig sind die vielen Nebenrollen besetzt – scharf gezeichnete Typen oder Charaktere – nie zu Witzfiguren abgestempelt.
Steven Soderbergh, der auch sein eigener, brillanter Kameramann und Cutter ist, gelingt mit diesen (für einen Pay-TV-Sender prodzierten) Film ein ebenso genauer wie unterhaltsamer Blick auf die (gestrige wie heutige) amerikanische Gesellschaft – auf Sex, Lügen und ihre mediale Vermittlung.

Foto/Poster: DCM Filmverleih

zu sehen u.a.: CineStar Sony Center(OV); Hackesche Höfe Kino(OmU); Odeon(OmU); Rollberg(OmU); Astor Film Lounge; Blauer Stern Pankow; Capitol Dahlem; CinemaxX Potsdamer Platz; Titania-Palast; Cubix; Cine Star Tegel; Delphi