Ausstattungs-Orgie: ‚Der Nussknacker‘ beim Staatsballet in der Deutschen Oper***

Was den Opern-Freunden „Hänsel und Gretel“, das bedeutet den Ballett-Fans „Der Nussknacker“: ein alle Weihnachten wiederkehrendes Spektakel für Gross und Klein. 1892 wurde Tschaikowsky’s Klassiker in St.Petersburg uraufgeführt, damals allerdings mit geringem Erfolg. Und da Staatsballett-Chef Vladimir Malakhov schon immer einen ausgeprägten Hang zur russischen Tanz-Vergangenheit bezeugte, lag es nahe, dass er – in seiner letzten Berliner Spielzeit – die Uraufführung des Werkes von einem Spezialisten-Team aus Moskau und St.Petersburg gleichsam rekonstruieren lies.
Dieser neue „Nussknacker“ triumphiert in erster Linie als eine ungemein aufwendige Kostüm- und Bühnenbild-Show. Romantisch gepinselte altdeutsche Stadt-Ansichten, ein pompöser Biedermeier-Salon samt Riesen-Weihnachtsbaum, ein verschneiter Winterwald und eine neobarocke, zuckrig-goldene Schloss-Kulisse, dazu unzählige – oft sehr einfallsreich entworfene – vielfarbige Kleider und Umhänge, Fräcke und Uniformen, Tiermasken, Zirkus-Gewandungen oder Phantasie-Kostume für Engelchen, Blumenkinder oder silbern-glitzernde Schneeflöckchen. Auf der Bühne herrscht ständiges Kommen und Gehen, Auf- und Abtreten, Stolzieren und Tanzen, mischen sich Kinder, junge Nachwuchs-Eleven und das grosse Cops de Ballett – eine turbulente Revue für Auge und Ohr. Nur gelegentlich wird ein etwas altmodisch-eleganter Pas-de-deux oder sind kleinere Ensemble-Nummern ein-choreographiert – tänzerisch bleibt das Märchen eher bescheiden, auch wenn Iana Salenko als Clara und Marian Walter als ihr Nussknacker-Prinz durchaus gute Figur machen. Maitre de Plaisier aber ist Michael Banzhaf, der als effektvoll seinen Umhang schwingender Onkel Drosselmeier alle Fäden der märchenhaften Geschichte in der Hand hat, ob bei der Weihnachtsfeier, der Schlacht mit dem Mäusekönig oder beim grossen Verlobungs-Fest mit seinen bunt-nationalen Tanz-Einlagen, das dann in einem pomös-flimmernden Goldregen wahrlich glanzvoll endet.
Ein grosser Wurf ist dieser retrospektive „Nussknacker“ nicht und allzu oft muss die aufwendige Ausstattung die schwache Dramaturgie und die schmalspurige Choreographie dieses Ballett-Märchens überdecken. Doch die sich aufdrängende Frage: Kitsch oder Kunst? dürfte sich von selbst lösen – durch die einhellige Begeisterung des Publikums und die entsprechende Kartennachfrage an der Theater-Kasse.

Foto: Bettina Stöß/Staatsballett Berlin

nächste Vorstellungen:27.Nov.//06./11./17./25./27.Dez.2013//01.Jan.2014