Begabter Verlierer: ‚Inside Llevyn Davis‘ von Joel & Ethan Coen****

New York, Winter 1961. Eine Woche im turbulenten Alltag eines (fiktiven) Folk-Sängers. „Inside Llevyn Davis“ lautet der Titel seines kaum beachteten Debüt-Albums, und mit ebenso mässigem Erfolg tingelt er durch die Keller-Kneipen im Greenwich Village. Zum Schlafen nutzt der arme Schlucker – alle paar Tage wechselnd – die Couch von Freunden und Bekannten, wobei er manchmal auch mit der Frau des Gastgebers schläft oder in den unfreiwilligen Besitz einer flink-entlaufenden Katze gerät. Zweifellos besitzt Llevyn grosses Talent, aber die Musikproduzenten bevorzugen die gefälligeren Klänge gewinnbringender Songs – die Zeit eines Bob Dylan und Co. ist noch nicht angebrochen. Auf einem Kurztrip nach Chicago versucht Llevyn vergeblich bei dem späteren Musikverleger von Dylan zu punkten, doch der lässt ihn nur kalt abblitzen, verfroren an Leib und Lebensmut kehrt er ins kalte New York zurück.
Joel & Ethan Coen schildern nicht das ausgreifendes Bio-Pic eines erfolglosen Folk-Musikers, sondern zeichen in knappen, atmosphärisch dichten Szenen das Porträt einen Talentes, das durch sein allzu emotionsgeladenes Verhalten seine Möglichkeiten eines Aufstieges auf der Bühne wie im Privaten zerstört: ob er nun die (von ihm?) schwangere Frau seines Freundes und Kollegen Jim unsensibel behandelt oder ob er die ihn freundlich bemutternde Gattin eines wohlhabenden Upper-West-Side Professors unnötig beleidigt. 
Ausschliesslich die Figur dieses Llevyn (hervorragend gespielt und gesungen von dem bisher nur in kleineren Rollen aufgetretenen Oscar Isaac) steht ganz im Zentrum der schnell wechselnden Szenenfolge, alle übrigen Darsteller bleiben meist nur kurz auftretende Neben-Figuren, wie etwa Carrey Mulligan als kratzbürstige Schwangere, Justin Timberlake als etwas spiessiger Musiker-Freund oder der gewichtige John Goodmann, der als im Auto nach Chicago mitfahrender Jazz-Musiker den Folksänger süffisant und verletzend verspottet.
In stimmungsvollen Bilder (Kamera: Bruno Delbonnel) wird die Atmosphäre jener Zeit der aufkommenden Folkszene und der beginnenden Protestbewegung im Amerika der 1960er Jahre beschworen: die verrauchten Kneipen und Cafes, die bürgerlichen Apartments, die düsteren Großstadt-Strassen mit den Heckflossen-Autos, kontrastiert durch die winterlich-öde Weite der amerikanischen Landschaft auf der Fahrt nach Illinois.
Raffiniert inszenieren die Coen-Brüder vor allem die Musik: sie benutzen sie nicht als untermalenden Soundtrack, sondern lassen die bekannten Songs (teils neu arrangiert) immer wieder voll aussingen und machen sie so zum zentralen Punkt des Films. Hinzu kommen knapp gehaltenen Dialoge, oft ebenso trocken wie komisch. So gewinnt der Film einen teils kauzigen, teils sarkastisch-ironischen Unterton, der trotz aller pessimistischen Geschichten und traurigen Zustände den scheiternden Songwriter Llevyn zu einem liebenswert-symphatischen Loser und Pechvogel werden lässt.
Und zu einem musikalischen Genuss!

Foto/Poster/Verleiher: StudioCanal Deutschland

zu sehen: CineStar Sony Center (OV); Babylon Kreuzberg (OmU);Hackesche Höfe Kino (OmU); Odeon (OmU); Rollberg Kino (OmU); Sputnik (OmU); Bundesplatz Kino; Casablanca; CinemaxX Potsdamer Platz; Filmtheater am Friedrichshain; International; Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei; New Yorck u.a.