Ein Kessel Buntes: ‚Peer Gynt‘ im Staatstheater Cottbus***

Aus Henrik Ibsens umfangreichem, dramatischen Gedicht über das wahrlich weltumspannende Schicksal des norwegischen Luftikus und Träumers Peer Gynt (UA: 1876) filetierte der Komponist Werner Egk 1938 eine knappe, etwa zweistündige Oper, deren erste Aufführung er selbst in Berlin dirigierte – mit Erfolg wie eine Tagebuchnotiz von Goebbels belegt: „Ich bin ganz begeistert und der Führer auch“. Und das, obwohl Egk teilweise stilistischen Mustern folgte, die bei den Nazis verpönt waren.
Doch die Story vom nordischen „Übermenschen“ Peer und dessen Liebe zu der ihn unterwürfig anbetenden Solveig passten perfekt ins damals propagierte Gesellschafts- und Weltbild.
Und nachdem Egk es verstanden hatte, nach Kriegsende seinen Opportunismus geschickt zu verbergen und er es  – ein „innerer Widerstandskämpfer“ -  zu Ruhm und Einfluss in der neuen Bundesrepublik gebracht hatte, schrieb sich die Erfolgsgeschichte seiner Ibsen-Oper bis zu seinem Tod 1983 fort. Da die 68-Generation und deren Nachfolger sich eher kritisch mit seinem Leben und Werk auseiandersetzten – wenn auch gelegentlich überzogen und nicht immer gerechtfertigt – verschwand Egks Werk fast ganz von den Bühnen.
Trotz dieses fragwürdigen, biographischen Hintergrunds: Werner Egks „Peer Gynt“ erweist sich auch heute noch als wirkungsvolles Bühnenspektakel. Die Musik schillert vielfarben in den Stilen der damaligen Zeit, mischt Operettenseligkeit mit Neuer Sachlichkeit, knappe Songs klingen wie die von Kurt Weill, Tanz-Musik und Jazz-Tupfer lassen an Ernst Kreneks „Johnny spielt auf“ denken, und wenn im Schluss-Bild der alt gewordene Peer seine treue Solveig wiederfindet,  lässt Egk das grosse Orchester aufrauschen – wie gleichzeitig nur Erich Wolfang Korngold in Hollywood es vermochte.
Flottes Unterhaltungs-Theater aus zweiter, aber geschickter Hand. Von der damaligen zeitgenössischen Musik – meilenweit entfernt.
Analyse und Historie dieser „Peer Gynt“- Oper finden sich in zwei vorzüglichen und lesenwerten Aufsätzen der Dramaturgin Carola Böhnisch im Programmheft. Auf der Bühne -  in diesem Fall – glücklicherweise nicht.
Der regieführende Intendant Martin Schüler verblüfft mit ostereierbuntem Kindertheater für Ewachsene. Da bedrohen steife, schwarzegekleidete Spiess-Bürger den jungen Peer, der keck eine roten Pudelmütze trägt, da kriechen die Trolle als weissgekalkte Baby-Greise unter einer überdimensionalen, goldenen Krinoline hervor, da horten vor einem Schiffsrumpf unter blutrotem Segel zwielichtige Männer in Frack und Zylinder riessige Goldbarren (und lassen sie zu ihren Gunsten verschwinden), da strippen Tänzerinen in Glitzer-Bikinis geschmeidig in einer schummriger Bar, da findet der grau gewordene Peer seine ewig junge Solveig in ihrem hübschen Folklore-Kleidchen vor einer putzig rot lakierten Bretter-Hütte – und dazu wallen immer wieder weisse Nebel und blinken pünktchen-kleine Sterne am dunklen Bühnenhimmel.
Der amerikanische Dirigent Even Christ und sein munteres Orchester verleihen Egks Musik musical-fetzigen Drive ohne auf’s notwendige Sentiment zu verzichten. Chor, Komparsen, Kinder und viele bewährte Solisten des Ensembles bevölkern in kleinen oder grösseren Rollen effektvoll die bunt ausgeleuchtete Bühne. Andreas Jäpel als Peer ist ein kraftvolles Mannbild und ein prächtiger Bariton, Cornelia Zink verleiht mit klarem Sopran der treuen Solveig auch einige selbstbewusste Züge, während Matthias Bleidorn (der Alte) und Gesine Forberger (die Rothaarige) angemessen für die bizarren und die erotischen Abenteuer Peers zuständig sind.
Als moderne Oper (Egk): unerheblich und zwiespältig; als Bühnenspektakel in Cottbus: gefällig und unterhaltsam.

Foto: Marlis Kross/Staatstheater Cottbus

nächste Vorstellungen:04.Febr/ 05.und 14.März/ 03.Mai 2014