Tod in der Badewanne: ‚Katja Kabanowa‘ in der Staatsoper im Schillertheater***

Die Erwartungen sind hochgespannt: Andrea Breth führt Regie, Simon Rattle ist der musikalischer Leiter – und doch bleibt die Aufführung von Leos Janaceks bewegender, 1921 uraufgeführter Oper „Katja Kabanowa“ (szenisch eine Übernahme aus Brüssel) – überwiegend mausgrau. Die an der Wolga spielende Geschichte um eine junge Frau zwischen einem schwachen Ehemann, einem ebenfalls nicht sehr willensstarken Liebhaber und einer herrschsüchtig dominierenden Schwiegermutter – Janacek kompilierte das Libretto nach dem Schauspiel „Das Gewitter“ von Alexander Ostrowski – wird von Andrea Breth in einem düsteren, postsozialistischen Russland angesiedelt.
Ein betonfarbener Raum, meist fahl beleuchtet, ein altes Sofa, eine altmodische Badewanne und ein grosser Kühlschrank bilden den tristen Hintergrund für das Drama Katjas, die sich vergeblich aus dieser bedrückenden Umgebung aus Konventionen, Überwachung und Unterdrückung zu befreien versucht. Dabei hält die Regisseurin in den intimeren Szenen die Sänger zu einer kammerspielartigen, realistischen Darstellung an, zeichnet sehr feine, psychologische Charaktere, und vermeidet dadurch alle opernhaften Gesten und Übertreibungen. Das gelingt besonders in den beiden ersten Akten vorzüglich.
Kontrastiert wird dieser grau-grundierte Realismus durch eher zeichhaft surreale Arrangements oder abstrahierenden Tableaus, die jedoch oft platt und übertrieben wirken. So wenn die arme Katja symbolträchtig im Eisschrank sitzen muss oder – im dritten Akt – alle Mitwirkenden, einheitlich schwarz gewandet, in starren Linien vor Kerzen-Kaskaden aufgereiht werden, während an der Rampe Katja tot in der Badewanne (statt der Wolga) liegt – da droht dann fast  saurer Kitsch! Viele Details dieser Arrangements bleiben auch einfach unklar.
Glücklicher agiert Simon Rattle am Pult der klangschön spielenden Staatskapelle. Zwar wirkt seine Janacek-Interpretation nicht ganz so schlüssig und zwingend wie im Oktober 2011 bei der Übernahme der Chereau-Inszenierung „Aus einem Totenhaus“, aber Rattle hat ein sensibles Gespür für die komplexe Musik Janaceks, ihrer auf Sprach-Melodien beruhenden Struktur, er ist ein Meister in der Abstufung feinster Dynamik und ein einfühlsamer Begleiter und Unterstützer des vorzüglichen Sänger-Ensembles.
Ob allerdings Rattles Wunsch-Katja, die Niederländerin Eva-Maria Westbroek (die unter ihm bereits Wagners „Sieglinde“ in Aix-en-Provence sang), die ideale Besetzung ist, kann bezweifelt werden. Sie ist eine vorzügliche Darstellerin mit einem vibratoreichen, dramatischen Sopran, aber für diese Katja fehlt es ihr an Frische und lyrischem Timbre – sie wirkt (stimmlich) einfach zu reif.
Klar und leuchtend, hell auch in der äusseren Erscheinung, verkörpert Anna Lapkovskaja Katjas Freundin Varvara, angenehm der Tenor Pavel Cernoch als Liebhaber Boris, und seinem Onkel Dikoj verleiht der Bass-Bariton Pavlo Hunka markante Züge. Stephan Rügamer überzeugt als schwächlicher Ehe- und Biedermann Tichon und Deborah Polaski beherrscht in violett-strengem Kostüm und mit scharfen Tönen als böse Schiegermutter die allzu grau-in-graue Spiesser-Hölle.

Gemische Gefühle: ein zwiespältiger Abend – aber auf hohem Niveau!
Foto: Bernd Uhlig/Staatsoper Berlin

Premiere: 25.Jan./weitere Vorstellungen: 29.Jan./01./06./09./16.Febr.2014