Düstere Bilder-Revue: ‚Fausts Verdammnis‘ in der Deutschen Oper Berlin****

Hector Berlioz komponierte „Fausts Verdamnis“ (UA: Paris,1846) nicht für die Bühne, er bezeichnete das Werk als „Konzert-Oper“ oder „Dramatische Legende“. Erst lange nach seinem Tod wurde diese französische Faust-Version erstmals auf einer Opernbühne inszeniert (Monte Carlo 1893). Seitdem werden immer wieder – mit mehr oder weniger Erfolg – neue Versuche einer szenischen Realisierung unternommen.
In vier Abschnitten hat Berlioz Szenen nach Goethes „Faust“ – insbesondere der Gretchen-Tragödie -  musikalisch ausgemalt,  ohne durchgehende Handlung oder psychologische Personen-Entwicklung. Insofern muss jeder Regisseur sich zuerst entscheiden, in welcher grundsätzlichen Form (Oper/Oratorium/Ballett) er das Werk präsentieren will.
An der Deutschen Oper hat sich Christian Spuck, im Hauptberuf Direktor des Balletts der Züricher Oper, für eine choreographierte Abfolge von Revue-artigen Bildern entschieden. Maitre de Plaisir ist dabei Mephistopheles, ein eleganter Herr im seidig glänzenden Frack, der dem am Leben verzweifelnden Faust allerlei düstere, groteske oder liebliche Trugbilder vorgauckelt, um ihn am Ende dann süffisant in die Hölle zu befördern.
Die schwarz ausgeschlagene Bühne der Deutschen Oper wird von einer riesigen, leicht ansteigenden Dreh-Scheibe beherrscht, auf der Mephistopheles die Puppen in immer neuen Formationen und Kostümen effektvoll tanzen lässt. Ob Soldaten zum Ungarischen Marsch in gegenläufigen Kreisen trippeln (und dabei überflüssigerweise auch noch eine Frau misshandeln müssen), Studenten an langen Tischen in Auerbachs Keller wild grölen, weiss-verschleierte Irrlichter geheimnisvoll umherhuschen, das Volk in neon-gelben Unterröcken oder hohen Hüten vor putzig-erleucheten Mini-Häuschen umherwirbelt oder schliesslich ein kesses Gretchen mit rotem Haar und gleichfarbigen Pumps auftaucht: alles wird vom dämonischen Mephisto dirigiert, der dann nach dem letzten Orchester-Ton eine Flamme entzündet und triumphierend laut auflacht.
Als wichtiger Mitspieler dieser rabenscharzen Show fungiert das Orchester: es kragt rechts und links aus dem Graben ins Proszenium. In der Mitte unten Dirigent und Sreicher, links ansteigend die Holzbläser, rechts das Blech, gekrönt auf der obersten Stufe von vier goldfarbenen Harfen. Ein sehr effektvolles Bild, akustisch aber gelegentlich heikel, da die höher sitzenden Instrumente (besonders bei vollem Orchestereinsatz) die unteren übertönen. Dennoch: Dirigent Friedemann Layer, der in der 2.Aufführung für den verhinderten Donald Runnicles einsprang, sorgt für edlen Berlioz-Klang, delikat in instrumentalen Passagen, farbig aufrauschend bei vollem Orchester.
Klaus Florian Vogt singt den Faust mit schöner Emphase, sein knabenhaftes Timbre bleibt jedoch „Geschmacksache“. Der Koreaner Samuel Youn verkörpert mit geschmeidigem Bass den  teuflischen Spielleiter und Clementine Margaine singt mit kraftvollem und wohlklingendem Mezzo die beiden Romanzen der Marguerite.
Grandios präsentiert sich der erweiterte Chor der Deutschen Oper (Leitung: William Spaulding). Nicht nur durch Ausdruck, Klang und präzise Intonation, sondern vor allem durch die bewundernswerte, darstellerische Beweglichkeit, mit der die Sängerinnen und Sänger die choreographischen Anforderungen – oft in hohem Tempo und unterstützt von einigen Tänzern  – brilliant erfüllen. Am Ende gabs verdientermassen Sonderapplaus dafür.
Kein ganz grosser Abend, aber – bei allen möglichen Einwänden – eine musikalisch beachtliche und szenisch diskussionswürdige Realisierung dieses französisch-romantischen Faust.

Foto: Samuel Youn als Mephistopheles/ c.Bettina Stöss/Deutsche Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 5./ 8.März 2014