Operetten-Klamauk: ‚Clivia‘ in der Komischen Oper Berlin***

„Clivia“ ist die erste von zahlreichen Operetten des österreichischen Komponisten Nico Dostal, der in den 1920er Jahren als Kapellmeister und Arrangeur für Unterhaltungsmusik in Berlin arbeitete. Erfolgreiche Uraufführung: Dezember 1933 im Theater am Nollendorfplatz. Ort und Zeit der Handlung: Boliguay, ein südamerikanischer Phantasie-Staat zu Beginn der 30er Jahre. Ein US-Wirtschaftsmagnat versucht unter dem Deckmantel, einen Hollywood-Film zu drehen, einen für seine Geschäfte günstigen Staatsstreich zu organisieren. Um eine Einreisegenehmigung zu bekommen, arrangiert er eine (Schein-)Hochzeit seiner Film-Diva Clivia Gray mit einem jungen Mann aus Boliguay. Doch dieser Juan – in Wahrheit selbst ein patriotischer Revolutionär – verhindert den vom US-Mogul geplanten Regierungs-Umsturz, wird Staatschef und zum echter Ehemann der inzwischen vor Liebe lodernden Clivia.
Das Ganze: ein ironischer Vorwand für eine bunte Abfolge von zugkräftigen Musik-und Tanz-Nummern, gespickt mit ein paar komödiantischen Auftritten. Dafür mixte Dostal einen süffigen Cocktail aus Jazz und Swing, Foxtrott, Tango und Wiener Operetten Schmalz – auch heute noch mit Vergnügen zu geniessen. Zumal wenn diese Schlager- und Tanzmusiken so schwungvoll und schmissig arrangiert und gespielt werden wie vom Orchester der Komischen Oper unter Kai Tietjes anfeuernder Leitung.
Dabei sitzen die Musiker – was den Sichtkontakt zum Dirigenten erschwert – hochgestaffelt auf einer kreiselnden Drehbühne zwischen zwei Show-Treppen und unter einem Kranz riesiger, gold-glitzernder Clivia-Blüten. Dafür ist der Orchestergraben überdeckt und dient als federnder Tanzboden für effektvolle Revue-Szenen oder Ensemble-Auftritte: für wild filmenden Gauchos und eine langbeinige Girl-Truppe fescher Soldatinnen, für schmierige Verschwörer und spionierende Polizisten, für eine luxuriös-snobistische Partygesellschaft.
Im Mittelpunkt des von Regisseur Stefan Huber etwas brav nach vorgestantzten Mustern arrangierten Geschehens: die Geschwister Pfister – erstmals auf einer Opernbühne. Natürlich mit Mikroport.
Ursli (Christoph Marti) spielt mit grossen Gesten und kräftigem Bariton die exaltierte, platinblonde Filmdiva, Toni (Tobias Bonn) mimt mit seinem Lausbubencharm den südamerikanischen Revoluzzer und Latin Lover und Andreja Schneider übernimmt als weiblich-resoluter Ober-Offizier nicht nur das Kommando über ihre Girls-Truppe, sondern auch über das Herz eines quirlig-verliebten US-Reporters aus Chicago (Peter Renz). Alle drei Pfisters dürfen sich im jubelnden Beifall des wohl überwiegend aus Fans bestehenden Publikums sonnen – doch die schöne Ironie mit ihren schrillen Spitzen, die sie in intimeren Räumen wie der ‚Bar jeder Vernuft‘ oder dem ‚Tipi‘ ausspielen können, wird auf der grossen Bühne stark vergröbert und missrät oft zur flachen, wie mit dem Holzhammer gezimmerten Parodie. Da hilft auch die aufwendige Ausstattung nur wenig – zumal die Klamotten im Stil der 30er Jahre für heutige Staturen nicht unbedingt sehr kleidsam ausfallen.
Der Schauspieler Stefan Kurt (als Gast) mimt den fiesen, amerikanischen Wirtschafts-Boss als hemmungslose Charge, während der Tenor Christoph Späth als schrulliger Erfinder kräftig berlinern darf – und als komischer Reise-Onkel zugleich die fetzigste Revue-Nummer des Abends
präsentiert.
Insgesamt überspielen die flotte Musik und die schmissigen Tanzszenen (Choreographie: Danny Costello) darstellerische Einschränkungen und szenische Routine über weite Strecken – auch wenn der Abend dann mit über drei Stunden Spieldauer zu lang ausfällt.
Operette ist – wie jeder Theaterfreund weiss – eine schwierige Kunst, und so balaciert auch diese „Clivia“ haarscharf zwischen ironischer Unterhaltung und drall-derber Klamotte – gelegentliche Abstürze eingeschlossen.

Foto: Gunar Geller/ Komische Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 14./20./28.März// 20./26.April// 23.Juni/ 7.Juli 2014