Ekennen Sie die Melodie? : ‚Rein Gold‘ in der Staatsoper im Schillerheater***

Uraufführung eines Projekts, das auf Grundlage eines Essays der Nobelpreiträgerin Elfriede Jelinek entstand, verschnitten mit live gespielter Musik aus dem „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner.
Vorgeschichte: Die Bayerische Staatsoper bat anlässlich einer Neuinszenierung von Wagners „Ring“ Elfriede Jelinek um einen Beitrag fürs Programmheft. Doch der gelieferte Text sprengte mit fast 200 Seiten jedes Begleitbuch-Format. Statt dessen arrangierte die Leitung der Münchner Oper im Juli 2012 eine Ur-Lesung im Prinzregententheater, Dauer über 7 Stunden.
Der Regisseur dieses Lese-Abends, der Jelinek erprobte Nicolas Stemann, hat dann zusammen mit dem Dirigenten Markus Poschner die Idee einer Kombination des Jelinek-Textes mit Original-„Ring“-Musik entwickelt und zusammen mit Dramaturgen, Musik-Arrangeuren, Ausstattern und Video-Künstlern das Stück erarbeitet, das jetzt unter dem Titel „Rein Gold“ vom Ensemble der Staatsoper erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Auf der grossen, offenen, fast leeren Bühne sitzt im hinteren Teil das Orchester (samt Dirigent) auf einer flachen Tribüne, die im weiteren Verlauf mehrmals bis zur Rampe vor- und dann wieder zurückgefahren wird. Drei Darsteller in Freizeitkleidung (Sebastian Rudolph, Katharina Lorenz, Philipp Hauß) lesen und spielen abwechselnd – das Blatt in der Hand – , wie Göttervater Wotan von Tochter Brünnhilde nach Umstand und Absicht des Baus von Wallhalla befragt wird, nach der Bezahlung der Burg mittels – wie sie meint – schlechter Kredite, und ob der Göttervater diese überhaupt einlösen könne. Vorbild ist die entsprechende Szene im 3.Aktes der „Walküre. Bei Jelinek sind beide Götter gleichsam zu Menschen von heute geworden, sie bedienen sich einer saloppen, witzigen, immer kritisch-sezierenden Umgangssprache, die kein Wortspiel und keinen Kalauer auslässt. Doch dann treten die Sänger von Wotan und Brünnhilde (Jürgen Linn, Rebecca Teem) hinzu, interpretieren kurze Passagen teils vom Orchester begleitet, teils duch einen technisch kompliziert zusammengebauten, vor dem Orchester postierten Synthesizer verfremmdet. Allerlei Möbelstücke werden im Laufe des knapp dreistündigen Abends noch herein – und wieder hinausgeschoben, auch ein Klavier spielt dabei gelegentlich eine Rolle. Die Rheintöchter erscheinen und bangen – im vocalen Dreiklang und in Goldlamé gewandet – um ihr geraubtes Edelmetall. Einmal darf oder muss einer der Schauspieler mit dünner Stimme der etwas schrill singenden Brünnhilde im Liebesduett aus „Siegfried“ sekundieren, Videos laufen über die mit bemaltem Leinen verkleideten Seitenwände oder über die Rückwand, mal sind dabei reine Textzeilen zu entziffern, mal sind rasante Autofahrten zu bestaunen.
Text und Musik werden ohne Unterbrechung wild collagiert – ein Gestaltungs-Prinzip ist dabei nur schwer zu erkennen. Ausser dem Vater-Tochter Konflikt gehts wie immer bei Jelinek – frei assoziierend – um Geld, Gier, Kapitalismus und Tod, und um vom Bühnenboden herabfallende Leichenteile die ein putziger Pink Panter in schwarzen Plastiksäcken verstaut. Da Regisseur Stemann ein sehr geschicktes Händchen für solch chaotisch anmutenden Bühnenzauber besitzt – einmal fordert er sogar das Publikum zum Mitmachen auf ! – und da der Jelinek-Text wie gewohnt bösen Witz, satirische Wortspiele und ironische Kalauer phantasievoll mixt, gewinnt der rätsel-satte Abend immerhin einigen Unterhaltungswert. Ob darüber hinausgehende Erkenntnisse zu entdecken sind,  mag dahingestellt bleiben. (Zumindest nicht ohne genaue „Ring“-Kentnisse!).
Ein paar Zuschauer verliesen den Saal während der pausenlosen Vorstellung, doch der Grossteil schien sich zu amüsieren und applaudierte am Ende sehr freundlich.

Foto: Arno Declair/Staatsoper Berlin

nächste Vorstellungen: 12.und 15.März 2014