Lauer Landwein: ‚Der Liebestrank‘ in der Deutschen Oper Berlin**

Gaetano Donizetti’s „Liebestrank“ (L’Elisir d’Amore) erfreut sich seit seiner Uraufführung 1832 grösster Beliebtheit bei den ausführenden Musikern wie beim Publikum in aller Welt. Dank vor allem seiner leichten und eingängigen Melodien – mal schwungvoll, mal melancholisch -, seiner flott wechselnden Rhythmen und instrumentalen Finessen sowie einer volkstümlich-schlichten Handlung: ein schüchtener Liebhaber versucht seine spröde Angebetete mit Hilfe eines „Liebestrankes“ zu erobern. Doch der Trank ist lediglich eine Flasche Rotwein, die ein Quacksalber ihm aufschwätzt. Dennoch führt die Täuschung nach zwei munteren Akten zum ‚Happy End‘.
Die Regisseurin Irina Brook und ihre beiden Ausstatterinnen verlegen die Geschichte in die italienische Provinz der 1950er Jahre. Drei Wohnwagen, ein kleines Podest mit rotem Samtvorhang, hölzerne Tische und Bänke beherrschen die Bühne vor blauem Himmels-Hintergrund. Aus der Gutsbesitzerin Adina ist die taffe Chefin eines Wandertheaters geworden, das gerade das Spektakel von „Tristan und Isolde“ probt, der sie anbetende Nemorino arbeitet dabei als netter Putzmann. Und der feiste Quacksalber Dulcamara bringt ausser seinen falschen Tränken noch einen (im Libretto nicht vorgesehenen) komisch-kauzigen Assistenen (als stumme Rolle) mit.
Irina Brook mögen wohl die populären italienischen Film-Komödien eines Vittorio de Sica oder auch des jungen Fellini vorgeschwebt haben, aber deren raffinierte Balance aus sozialem Realismus und temperamentvoller Spielfreude erreicht sie nicht. Statt dessen mimt eine kleine Komparsengruppe dilletierende Tänzer, hüpft der Chor in Retro-Klamotten im Takt der Musik umher, wuseln die Solisten unaufhörlich über die Bühne oder einen Orchesterlaufsteg, wechseln ständig die Kleider (Adina), recken ironisch-übertrieben die Arme in die Höhe, spielen Theater auf dem Theater – doch alles bleibt nur aufgekratzter Leerlauf.
Auch musikalisch bleibt der Abend zwiespältig. Dirigent Roberto Rizzi Brignoli legt zügiges Tempo vor und achtet auf instrumentale Details, vermag jedoch die unterschiedlichen, lyrischen wie komödiantischen Aspekte der Musik nicht auf einen Nenner zu bringen, und bleibt so insgesamt unausgewogen. Heidi Stober als hübsch-resolute Adina und Simon Pauly als fescher Offizier Belcore machen als treue Ensemble-Mitglieder des Hauses musikalisch wie darstellerisch gute Figur. Nicola Alaimo ist mit kernigem Bass und italienischem Bühnentemperament der umtriebige Quacksalber, während dem russischen Tenor Dimitri Pittas bei aller darstellerischen Beweglichkeit und einer kräftig-ausgeglichenen Stimme der (für Nemorino und seine „flüchtige Träne“) entscheidende Schmelz (noch?) fehlt.
Obwohl ein Grossteil des Publikums den äusserlich gefälligen Abend geniesst und viel Beifall spendet, bleibt die Aufführung in Anbetracht der Möglichkeites und des Ehrgeizes der Deutschen Oper weitgehend unbefriedigend.

Foto: (c.)Deutsche Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 3./ 8./ 10. Mai 2014