Ein ungewöhnliches Paar: ‚Tao Jie – Ein einfaches Leben‘ von Ann Hui****

Ah Tao wird schon als ganz junges (elternloses, in China geborenes) Mädchen Haushälterin bei der reichen Familie Leung in Hongkong. Sie war auch – wie es in der ehemaligen britischen Kolonie Brauch ist – für die Erziehung der Kinder verantwortlich. Inzwischen sind fast alle Mitglieder der Familie ausgewandert, überwiegend in die USA, nur der Filmproduzent Roger lebt noch in der einstigen Wohnung, umsorgt von der inzwischen ebenfalls alt gewordenen Ah Tao. Als sie einen Schlaganfall bekommt, bringt Roger sie, nach dem Krankenhaus-Aufenthalt, in einem Altersheim unter. Nur langsam gewöhnt sich die bisher sehr zurückhaltende, aber selbständig handelnde Ah Tao an das neue, streng geregelte Leben im Heim und an seine sehr unterschiedlichen, oft skurilen Bewohner. Obwohl Roger durch seine Tätigkeit im Film-Business sehr beschäftigt ist, kümmert er sich zwischen seinen Geschäften immer wieder um seine ehemalige Haushälterin, die ihn ja auch gross-gezogen hat. Sein bisher eher distanziertes, leicht arrogantes Verhalten ihr gegenüber, beginnt sich langsam zu ändern: ein sehr herzliches Verhältnis zwischen den beiden sozial und kulturell so unteschiedlichen Personen entwickelt sich, fast eine echte familiäre Beziehung. Er bezeichnet sie sogar offiziell als seine „Paten-Tante“, sie ihn als „Paten-Sohn“. Doch ihr körperlicher Zustand wird – nach einem zweiten Schlaganfall – immer schlechter und in der Schluss-Szene hält er bei der (christlichen) Trauerfeier für sie bewegt die Todenrede.
Diese Geschichte beruht auf eigenen Erlebnissen des chinesischen Produzenten des Films, Roger Lee. Die Grande Dame des Hongkonger Kinos, die Regisseurin Ann Hui, die in den 1980/1990er Jahren berühmt wurde, erzählt diese ungewöhnliche Familien-Beziehung mit viel Feingefühl und schöner Emphatie, doch durchaus auch mit kritischen Untertönen und zartem Humor. Ihr Kameramann Yu Lik-wai („A Touch of Sin“) liefert ihr wunderbare Bilder vom Leben der Chinesen in Hongkong: von den beengten Wohnverhältnisse in den modernen Hochhaus-Wohnsilos oder von der grosse Rolle, die das Essen und seine Zubereitung in dieser Kultur spielt. Ann Hui schildert die entsehende, neue Beziehung zwischen Ah Tao und Roger ebenso psychologisch sensibel wie sie mit dokumentarischer Genauigkeit die unterschiedlichen Alten im etwas schäbigen Seniorenheim zeigt: deren Marotten, deren Hilflosigkeit, aber auch deren menschliche Würde.
Die grossartige, chinesische Schauspielerin Deannie Yip porträtiert die familienlosen „Dienerin“ mit grosser Intensität als einfache, aufrichtige, in sich ruhende Frau – ohne sie jedoch als „Gut-Mensch“ zu verklären. Andy Lau als Roger, der erst langsam seine Gefühle für Ah Tao entwickelt, ist ein überzeugender Partner; auch er ist kein „Held“, sondern zeigt gelegentlich brutale oder überhebliche Charakterzüge.
Kein Kino der spektakulären Bilder oder der grossen Gefühle, sondern ein schlichter und berührender Film über Familie und Alltag im China von heute – über „einfaches Leben“ eben!

Foto/Poster: Fugu Filmverleih

zu sehen nur noch an den nächsten beiden Sonntag-Nachmittagen im fsk (OmU)