Grelle Posse: ‚Punch & Judy‘ in der Staatsoper im Schillertheater/Werkstatt***

Eine Opern-Farce aus Großbritannien, uraufgeführt 1968, damals noch eine kecke Provokation im konservativen Land. Die beiden Titelfiguren sind dem (nord)englischen Volkstheater entsprungen, ein derb-grausames Kasperle-Paar, wohl Nachkommen von Jarry’s bösem ‚König Ubu‘ und seiner Frau. Der Text dieser „A Tragical Comedy or a Comical Tragedy in One Act“, der kräftig mit der englichen Sprache spielt, stammt von Stephen Pruslin, die Musik schrieb der noch opern-unerfahrene Harrison Birtwistle, inzwischen hoch renommiert, von der Queen zum Ritter geschlagen und kurz vor seinem 80.Geburtstag stehend.
In der Schiller-Werkstatt, gegenüber einer steilen Zuschauertribüne, stehen – vor weisser Wand -  ein paar Sperrholz-Möbel herum sowie ein kleiner Gas-Herd. Darin verbrennt gleich zu Beginn Punch, Glatze, Segel-Ohren und Knollen-Nase,  sein (Puppen)Kind – zum Entsetzen von der ebenfalls knollennasigen Judy. Doch kaum ist der „Passionschoral“ vorbei, begibt sich Punch auf die turbulente Suche nach Pretty Polly. Und was als makabre Tragödie begann, endet nach 105 pausenlosen Minuten als schrill-schräges Musical.
Birtwistle bedient sich dabei einer avantgardistischen Musiksprache, durchsetzt mit allerlei Anspielungen und (nicht immer leicht erkennbaren) Zitaten aus der Opern-Geschichte. In den 1960er Jahren noch progressiv empfunden, heute wird ihr agressiver Gestus freundlich beklatscht. Sicherlich auch ein Verdienst der Staatskapellen-Mitglieder und ihres feinfühligen Dirigenten Christopher Moulds, hoch oben und unsichtbar auf der Empore musizierend. Regisseur Derek Gimpel und Ausstatter Christoph Ernst setzen ein groteskes Kasperle-Theater in Szene: bunt, quirlig, schrill und temporeich. Ein junges Nachwuchs-Ensemble (2 Sängerinnen, 3 Sänger)  mischt wild überdrehte Posen mit kräftigen (für die kleine Werkstatt fast zu lauten) Tönen – angeführt von englischen Bariton Richard Suart, einem renommierten Gilbert-und-Sullivan-Spezialisten, dessen wunderbar überdrehter Punch zum – in jeder Beziehung – ‚tollen‘ Mittelpunkt dieser scharz-humorigen Opern-Farce wird.

Foto: Vincent Stefan/Staatsoper Berlin (Richard Suart als Punch)

nächste Vorstellungen:23./25./27./31.Mai 2014