Im Pailletten-Korsett:’Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny‘ in der Staatsoper (Schillertheater)**

Statt der berühmten Brecht-Gardine gleiten Perl-Vorhänge unentwegt auf der fast leeren Bühne des Schillertheaters auf und ab. Spiegel-, Beleuchtungs- oder Video-Effekte beleben (meist abstrakt) diese glitzernd-beweglichen Wände. In der Mitte ein erleuchteter Türbogen, der mal ins Bordell, mal ins Gericht führt. Die Goldgräberstadt als Revue-Palast – entsprechend treten die Frauen in pompös-popigen Kleidern und knallbunten Perücken auf, die Männer dagegen in schlichten dunklen Anzügen mit Bowler. Leokadja Begbick, eine Matrone in Silberlamé, beherrscht das rüde Geschäft mit Fressen, Lieben, Boxen und Saufen – nur das Geld zählt, Kapitalismus pur. So auch als Jim Mahoney sein erarbeitetes Gold verprasst hat: kaltblütig wird er zum Tode verurteilt und erhängt – seine Liebe zur Hure Jenny bleibt nur ein melancholisches Apercus.
Als Bertold Brecht und Kurt Weill diesen „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ 1929/30 schufen, wollten sie Front gegen die vorherrschende (bürgerliche) Opern-Tradition machen: statt schwelgerischem Genuß, distanzierende Aufklärung über gegenwärtige Zustände – allerdings noch ohne den späteren (kommunistischen) Gegenentwurf. Die Musik: eine schwungvolle Mischung aus Songs, Jazz und aktuell-moderner Tonsprache.
Doch was in den späten Zwanziger-Jahren als neu und mitreissend, agressiv oder progressiv empfunden wurde, pendelt in der Neu-Inszenierung der Staatsoper nur noch zwischen gefällig und langweilig.
Regisseur Vincent Boussard sorgt zwar für ständige Bewegung, lässt die zahlreichen Goldgräber und Nutten über die in changierendes Licht getauchte, halbdunkle Bühne wuseln, bleibt aber dabei im bloss Dekorativen stecken. Der Modeschöpfer Christian Lacroix entwarf für die Damen voluminöse Show-Roben mit vielen, glitzernden Pailletten – schick, aber kaum charakteristisch für die jeweiligen Rollen.
Auch die Sänger-Darsteller vermögen der aufgebrezelten Revue keinen echten Schwung verleihen. Gabriele Schnaut als Begbick: eine füllige Wagner-Heroine im Silber-Look; Evelin Novak als Jenny: eine brave, junge Frau ohne jede Ausstrahlung; allein Michael König als Jim überzeugt durch seinen kraftvollen Tenor, als Darsteller wirkt er blass. Der britische Gast-Dirigent Wayne Marshall heizt Chor und Orchester meist kräftig an, bleibt insgesamt aber undifferenziert.
Ein Abend der Unentschiedenheit – bunt und belanglos.

Foto: Matthias Baus /Staatsoper Berlin

nächste Vorstellungen:15./20./25.Juni 2014