„Magere Hüften“ : ‚Lohengrin‘ bei INFEKTION! in der Schiller-Werkstatt /Staatsoper****

Eine Art modernes Melodram, das der renommierte, sizilianische Komponist Salvatore Scarrino (geb.1947) nicht nach Richard Wagner, sondern nach einer Erzählung des französischen Symbolisten Jules Laforgue (von 1887) eingerichtet hat. Einzige Person: die junge Elsa, die beklagt, das Lohengrin in der Hochzeitsnacht sich ihr nicht näherte, weil sie zu „magere Hüften“ habe und er sich dann auf einem Schwan reitend durchs Fenster entfernt habe, ins Reich der „metaphysischen Liebe“. Es bleibt offen, ob Elsa sich in einer psychiatrischen Klinik befindet oder ob sie nur tag-träumt.

Elsas Klage ist ein grosser, knapp 50 Minuten langer Monolog für eine weibliche Stimme: sie spricht in allen erdenklichen Tonlagen, wiederholt Worte, ahmt Geräusche nach, gluckst, keucht, zwitschert, rülpst und erst ganz am Schluss singt sie ein kleines Lied von den „Glocken an schönen Sonntagen“. Scarrino lässt dieses poetisch-abstrakten Selbstgespräch von einem kleinen Orchester begleiten (Leitung: Michele Rovetta), meist glitzernde Flagolletttöne oder zarte Bläserakzente, die die Worte und Laute Elsas  nicht untermalen, sondern zusammen mit ihrer Stimme die innere, dramatische Bewegung erzeugen.

Regisseur Ingo Kerkhof hat eine kleine Wohnung aufbauen lassen – Fenster, Bett, Bad – und zu Elsa noch eine zweite, stumme Figur hinzuerfunden: einen jungen Mann (Konstantin Bühler), der mal mit Elsa im Bett ruht oder sie ins Badezimmer begleitet – der halluzionierte Lohengrin? Auch hinter der weissen Tüllgardine schimmert gelegentlich der undefinierbare Schatten eines Mannes oder eines sich im Wind bewegenden Baumes. Wahn oder Realität?

Getragen wird der kurze Abend von der Schauspielerin Ursina Ladi (sonst Schaubühne) und ihrer fulminanten Stimm-Performance, die virtuos alle Möglichkeiten der Tonerzeugung zu einer musikalisch-leuchtenden, gewaltigen Wort-Arie fügt (in italienischer Sprache). Grosser, herzlicher Beifall.  

Foto: Thomas Jauk/Staatsoper Berlin

nächte Vorstellungen: 18./19./21. und 22.Juni 2014