Mit Lack und nackter Haut: ‚Don Juan‘ – das Staatsballet in der Komischen Oper***

Rund 3000 Bearbeitungen des „Don Juan“-Stoffes will ein französischer Forscher in den unterschiedlichsten Kunst-Bereichen gezählt haben. Jetzt hat zum Abschluss der Intendanz von Vladimir Malakhov auch das Staatsballett Berlin sich des spanischen Verführers bemächtigt: seit Wochen wirbt ein Plakat mit dem jungen Haupt-Darsteller – nur mit einer Halskrause bekleidet – für die Aufführungs-Serie im Haus der Komischen Oper.
Viel Neues erfährt der Zuschauer über die fast mythische Figur des Don Juan oder Don Giovanni (wie sein italienischer Name lautet) allerdings nicht. Auch wenn im Programmheft behauptet wird, dass es um menschliche und philosphische Fragen, um Schein und Sein, um barockes Theater und gegenwärtige Realität gehe – im Gegensatz dazu läuft auf der Bühne eine ebenso vordergründig-schlichte wie effektvolle Show ab: wie sich Don Juan aus Schlafzimmerfenstern hangelt (als raffinierter Spiegeleffekt), wie er eine Donna nach der anderen mit kühlem Gleichmut auf Tisch- oder Grabplatte legt, wie er seinen drolligen Diener Zanni mit arroganter Geste umherscheucht und wie er zum bösen Schluss in der Hölle landet – von allerlei Teufelskerlen mit nackten Hintern  feurig umschlängelt.
Eine schrille Show vor bläulich-düsteren Wänden mit vielen auf- und zuklappenden Türen und – das ist der Clou – mit sexy Fantasy-Kostümen, die vorzugsweise viel freie (vor allem männliche) Haut präsentieren – Don Juan in der Berliner Club-Szene?
Choreographiert hat diese schwarze Revue der Italiener Giorgio Madia, der mit dem Staatsballet in der Komischen Oper einst „Alice“ in ein buntes Wunderland hüpfen und den „Zauberer von Oz“ auf einem popigen Regenbogen tanzen liess . Seine Choreographie beruht auf klassischer Basis, immer hübsch und gefällig, nie tiefschürfend, doch temporeich und knallig arrangiert.
Die Tänzer sind nicht übermässig gefordert, überzeugen aber durch schöne und geschmeidige Haltung – das Diener-, Nonnen-, Furien-Ensemble ebenso wie die verführten Damen Elena Pris (Anna), Nadja Saidakowa (Elvira), Ileana Montagnoli (Isabella) und Iana Salenko (Elisa). Elegant durchschreitet Leonard Jakovina als Don Juan – nun ohne Halskrause aber mit tiefem Rückendekollté – die düstere Szene, während Michael Banzhaf als ihn begleitender Teufel dämonisch auftrumpfen darf – natürlich mit blanker Haut und umgeschnallten Gemächt.
Doch der gewiefte Choreograph Madia weiss, dass auch in einer böse endenden  Sex-Story der Humor nicht fehlen darf, und so zieht Vladislav Marino als Diener Zanni alle Lacher auf seine Seite: ein putzmunterer Arlechino, direkt aus der alt-italienischen Comedia del´arte entspungen, ein vituoses, purzelbaum-schlagendes Gummi-Kasperl – und Liebling des Abends, vom Publikum herzlich gefeiert.
PS. Die Musik stammt von Joseph Hayden – von der gelegentlich live auftretenden (und spielenden) Wiener Geigerin  Lidia Baich zusammengestellt – und tönt leider allzu grell als Konserve aus dem Lautsprecher. Dennoch: viel Beifall.

Foto: Yan Revazov/ Staatsballett Berlin

nächste Vorstellungen: 26./30.Juni/ 02./06.Juli 2014