Im Fadenreuz der Geheimdienste: ‚A most wanted Man‘ von Anton Corbijn***

Der Anschlag auf das World-Trade-Center in New York am 11.September 2001 wurde unter anderem in Hamburg vorbereitet. Keiner der Geheimdienste, weder der deutsche noch der amerikanische, scheint etwas davon mitbekommen zu haben. Seitdem hat hinter den Kulissen dieser Undercover-Welt hektisches Treiben eingesetzt: eine solche Blamage kann kein Dienst sich mehr erlauben. Jetzt wird alles und jeder bespitzelt, überwacht, verhaftet oder erpresst. Die Furcht vor islamisch motivierten, neuen Terrorakten führt so zu einem unbarmherzigen Wettbewerb zwischen den diversen Nachrichten-Diensten: diesmal darf keiner versagen.
In dieser aufgeheizten Atmosphäre leitet der deutsche Geheimdienstler Günther Bachmann im Auftrag des BND eine kleine Sondereinheit in Hamburg. Durch altbewährte Methoden und persönliche Intuition ist er einem scheinbar honorigen, arabischen Geschäftsmann auf die Schliche gekommen, der durch eine zyprische Schiff-fahrtsgesellschaft heimliche Waffengeschäfte abwickeln lässt. Mittels eines aus Russland geflohenen, islamischen Tschetschenen, der in Deutschland auf Asyl hofft, glaubt er dem dubiosen Geschäftsmann eine Falle stellen zu können. Doch er hat dabei nicht mit dem brutalen Konkurrenz-Neid seiner Vorgesetzten und des CIA gerechnet, die alles vermasseln…
Der Spionage-Thriller über die Furcht vor dem islamischen Terrorismus und über illegale Waffengeschäfte im Nahen Osten wirkt verblüffend aktuell. Dabei ist seine Vorlage, ein Roman von John le Carré (dt.Titel „Marionetten“) bereits 2008 erschienen. Doch haben Drehbuchautor Andrew Bovell und Regisseur Anton Corbijn die etwas verwickelte Story so geschickt in das heutige Hamburg zwischen wüster Multikulti-Szene und Blankenese-Chic verortet und von Benoit Delhomme so modisch-raffiniert fotografieren lassen, dass die – bei genauem Hinsehen – recht klischeehafte Genre-Geschichte einen spannenden und tages-aktuellen Touch
bekommt.
Doch was diesen durchaus unterhaltsamen Krimi sehenswert macht, ist die herausragende Darstellung des leicht kauzigen, älteren Agenten Günther Bachmann durch den im Frühjahr (an Drogen) verstorbenen, amerikanischen Schauspieler Philip Seymour Hoffman (in seiner letzten Rolle). Obwohl die Vorlage dieser Figur über weite Strecken ebenfalls stark an Klischees gebunden ist, gelingt es Hoffman, ihr einen sehr individuellen Charakter zu verleihen: den eines etwas bullig-kauzigen Einzelgängers, der keinerlei intime Beziehung unterhält, vielleicht zuviel trinkt und raucht. Der sich klug und vorurteilsfrei ausschliesslich auf seine Arbeit konzentriert , genau beobachtet und schlau seine Netzwerke aufbaut. Der aber auch schon Niederlagen einstecken musste: so soll er in Beirut als Geheimdienstler enttarnt worden sein und wird seitdem von seinen Vorgesetzten misstrauisch beobachtet. Doch zynisch ist er nicht geworden, sondern der harte Arbeiter und genaue Menschenbeobachter geblieben – was ihm jedoch am Ende des Hamburger Falls nicht weiterhilft, sondern ins Leere laufen lässt…
Günter Bachmann ist keine bedeutende Film-Figur, aber nocheimal zeigt sich in der präzisen und am Ende auch anrührenden Darstellung dieses zähen, deutschen Agenten-Loosers die grosse Kunst und filmische Präsenz von Philip Seymour Hoffman.

Foto/Poster: Senator Filmverleih

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