Konstruiert: ‚Phoenix‘ von Christian Petzold***

Nelly (Nina Hoss), jüdische Sängerin im Berlin der Nazi-Zeit und verheiratet mit dem Pianisten Johnny (Roland Zehrfeld), wird im Oktober 1944 verhaftet. Sie überlebt schwer verwundet und im Gesicht entstellt das Konzentrationslager Auschwitz.
Zu Beginn des Filmes wird sie von ihrer Freundin Lene (Nina Kunzendorf), die in der Schweiz den Krieg überlebt hat und nun für die Jewish Agency arbeitet, ins zerstörte Berlin zurückgebracht – einmal um Vermögensfragen zu klären, zum andern um die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten. Nelly wird operiert, ihr Gesicht (halbwegs) wiederhergestellt. Doch – zum Entsetzen von Lene – versucht Nelly, ihren Mann Johnny wiederzufinden, im Glauben, dann ihr früheres, glückliches Leben wieder aufnehmen zu können. Obwohl Lene andeutet, daß Johnny sie denunziert hat.
In einer Bar mit dem euphoristischen Namen „Phoenix“ findet Nelly ihren Johnny wieder, doch er erkennt sie nicht, ist nur verblüfft über ihre Änhlichkeit mit seiner ins KZ verschleppten Frau.
Doch dann entwickelt er einen Plan: mit Hilfe dieser – wie er glaubt – „falschen“ Nelly an das Vermögen  der echten heranzukommen. Sie lässt sich auf das Spiel ein, verwandelt sich mittels Kleider, Schuhen, Frisur und Make-up immer mehr in die „echte“ Nelly – und keht sogar in einer von Johnny verlogen-arrangierten Szene mit dem Zug zurück und wird am Bahnhof von den einstigen (Nazi-?)Freunden empfangen. Erst als bei der anschliessenden Feier Nelly ihren Johnny bittet, sie bei dem Kurt-Weill-Song „Speak low“ am Piano zu begleiten, ein Lied, das sie einst oft in glücklichen Tagen gemeinsam vortrugen, erkennt er sie betroffen. Nelly – jetzt ernüchtert – verlässt den Raum.
Regisseur Christian Petzold bevorzugt in seinen Filmen (Liebes-)Geschichten, die stark von der jeweiligen politischen Situation Deutschlands geprägt sind, zuletzt in „Barbara“, dem Drama einer Ärztin in der DDR, die mit der Staatssicherheit in Konflik gerät. In „Phoenix“ versucht er nun die deutsche Nachkriegsgesellschaft zu porträtieren, die am liebsten über ihre (Nazi-)Vergangenheit, deren Gräuel und daraus erfolgenden Katastrphen, schweigen möchte. Aber auch eine Überlebende wie Nelly will das Entsetzlich nicht wahrhaben: nur das vergangene, scheinbare Glück wiederherstellen.
In der ersten Hälfte des Film gelingt es Petzold sehr gut, diese Zeit in kühlen Bilder knapp und klar zu zeichnen: Nellys Rückkehr und ihre Operation, die schwierige Situation sich im Leben und im zetrümmerten Berlin wieder zurecht zu finden. Doch mit dem Auftritt Johnnys kippt der Film und bringt sich durch die steif durchgespielte Handlungs-Konstruktion und ihrem überdeutlichen Hinweis-Charakter um seine Glaubwürdigkeit. Auch den an sich guten Darstellern gelingt es kaum, echte Menschen oder gar anrührende Persönlichkeiten zu verkörpern. Erst in der Schluss-Szene, als Nelly während ihres Chanson-Vortrages die gesamte Situation wirklich begreift, gewinnt sie dank dem intensiven Gesang und Minen-Spiel von Nina Hoss wirklich menschliches Profil.
Fraglich bleibt auch, ob sich die Nachkriegszeit und die deutsche Gesellschaft jener Jahre als Melodram inszenieren lassen, zumal wenn Opfer der Konzentrationslager die tragenden Rollen dabei spielen. Holocaust als Unterhaltungs-Kino ist immer ein heikler Drahtseilakt – auch wenn Regisseur Christian Petzold mit Umsicht und Sorgfalt diesen Stoff umzusetzen versucht. Vielleicht ist das jedoch – neben dem Problem der Glaubwürdigkeit – sein Haupt-Manko: zu herkommlich und solide, zu politisch korret wird erzählt. Filmisch jedoch bleibt alles allzu brav – sogar trotz mancherlei Anleihen aus der Kino-Historie. So wirkt dieser „Phoenix“ recht zwiespältig und verheisst – im Gegensatz zu seinem sarkstische gewählten Namen – kaum Aufbruch oder gar Neues.

Foto/Poster: Piffl Medien GmbH

zu sehen: Capitol; CinemaxX Potsdamer Platz; Delphi; Hackesche Höfe Kino (dt.m.engl.Untertiteln); International; Kino in der Kulturbrauerei; Yorck