Fade Spurensuche:’The Cut‘ von Fatih Akin *

1915, eine armenische Gemeinde im Süden der (noch osmanischen) Türkei. Nazaret, der Dorfschmied, wird eines Nachts von türkischen Soldaten rekrutiert und mit anderen Männern des Orts zu harter Arbeit beim Bau einer Wüstenstrasse gezwungen. Später werden diese wie Sklaven behandelten Männer brutal umgebracht. Nazaret hat Glück im Unglück, ihm weden nur die Stimmbänder, nicht die Kehle wie bei den anderen durchschnitten. Stumm flieht er in die Wüste, trifft auf ein zerstörtes Lager, in dem die türkischen Militärs armenische Frauen, Männer und Kinder grausam verdursten und verhungern lassen. Im syrischen Aleppo wird Nazaret von einem mitfühlenden Kaufmann aufgenommen und erfährt durch Zufall, dass seine beiden Zwillingstöchter den Genozid überlebt haben und jetzt in einem libanesischen Waisenhaus leben sollen. Er begibt sich daraufhin auf eine lange, mehrjahrige Suche, die ihn über den Libanon, Kuba bis nach Nord-Amerika führt – wobei er an jedem Ort einen ihm wohlgesonnenen Helfer findet. Im Winter 1923 gibt’s in der weiten, ärmlichen Landschaft von Nord-Dakota ein Happy End – wenn auch mit einer traurigen Einschränkung.
Der 138 Minuten lange Film zerfällt in zwei Teile:  der erste klagt den Völker-Mord an den Armeniern während des 1.Weltkrieges durch die Türkei an, der zweite Abschnitt imitiert klassisches Road-Movie-Kino, bei dem der amerikanische (oder auch italienische) Western deutlich Pate stand.
Doch Regisseur Fatih Akin gelingt es weder, die grausame Vergangenheit der Armenier im Schicksal eines Einzelnen zu spiegeln, noch den Western-Vorbildern Hollywoods dramatisches Leben einzuhauchen.
Das Drehbuch wirkt wie eine brav gestrickte Seminararbeit angehender Filmschüler, bei der alle Handlungs-Fäden ordentlich zusammen genäht und alle angedachten Problem-Felder mit kurzen Bild- oder Ton-Sequenzen illustiert werden. Die Kamera schwenkt zwar oft in breiten, schönen Panorama-Bildern von Bergen, Wüsten oder Meer, doch die übrige Szenerie riecht heftig nach Pappe und Schminke – überdeutlich im düsteren Wüstenlager mit den dekorativ arrangierten Leichen oder stöhnenden Sterbenden. Auch vermag der Darsteller des Nazaret seine furchtbare Odysee kaum  in Körper-Haltung oder Minen-Spiel sichtbar werden zu lassen: er bleibt von Anfang bis Ende der gleiche junge Mann, in dessen hübschem Gesicht sich nicht eine Spur seines leidvollen Schicksals eingräbt.
Sicherlich, es gibt immer wieder mal ein paar Sequenzen, in denen Fatih Akins Regie-Talent aufblizt, beispielweise in der Szene, in der ein früher Stummfilm von Charlie Chaplin bei den einfachen, arabischen Zuschauern ebenso freudiges Lachen wie Tränen der Rührung auslöst, -  und wie es Akin bisher so eindrucksvoll in seinem Berlinale-Sieger „Gegen die Wand“ oder in dem deutsch-türkischen Aktivisten-Drama „Auf der anderen Seite“ bewiesen hat.
Schade deshalb, dass das ehrgeizige und teuer produzierte filmische Epos über ein Kapitel Zeitgeschichte des frühen 20.Jahrhunderts zu einem Flopp mißraten ist — überfrachtet, lebenlos und langweilig.

Foto/Poster: Pandora Filmverleih

zu sehen: Hackesche Höfe Kino (OmU); Capitol; CinemaxX Potsdamer Platz; Delphi; Filmtheater am Friedrichshain; Kino in der Kulturbrauerei; Yorck