Blutiger Humor: ‚Wild Tales‘ von Damián Szifróns ****

Sechs – nicht miteinander verbundene – Geschichten aus der Millionenstadt Buenos Aires und ihrer Umgebung, sechs Berichte über Rache-Aktionen – böse und grotesk.
Ein gescheiterter Künstler lädt unter falschem Namen Bekannte, die ihm einst seiner Meinung nach Übles antaten, zu einem gemeinsamen Flug ein. Der Zielort ist offen…
Die Kellnerin in einem Imbiss-Lokal erkennt im einzigen Gast an diesem Abend den Finanzhai, der ihre Familie in den Ruin trieb. Die rabiate Köchin empfiehlt Rattengift…
Ein arroganter Autofahrer überholt auf einsamer Landstrasse einen kleinen, alten Transporter und verhöhnt dessen muskelbepackten Fahrer. Ein Kampf der männlichen Leidenschaften beginnt…
Einem erfolgreicher Sprengmeister wird während des Einkaufes einer Geburtstagstorte für seine kleine Tochter das Auto abgeschleppt, obwohl die Halteverbots-Markierung nicht (mehr) zu erkennen war. Mehrere emotionsgeladene Behördengänge folgen…
Der Sohn reicher Eltern verursacht nachts einen Auto-Unfall und begeht Fahrerflucht. Die Eltern versuchen ihn vor der Justiz zu retten und mit viel Geld, Hausmeister, Anwalt und Polizei zu bestechen. Doch das scheinbare Einvernehmen wird schnell brüchig…
Eine Braut entdeckt auf ihrer pompösen Hochzeitsfeier, dass ihr Zukünftiger sie mit einer der eingeladenen weiblichen Gäste betrogen hat. Ein wilder Walzer wird angestimmt…
Fünf dieser Storys enden tödlich oder makaber, nur die Hochzeits-Party findet nach einer ausladenden Haus- und Saalschlacht einen halbwegs versöhnliches Ende…
Der argentinische Regisseur Damián Szifrón (39), der auch sein eigener Drehbuch-Autor ist, erzählt die sechs Episoden als überdrehte, schwarze Grotesken mit leich surrealem Einschlag – wobei dem Zuschauer das Lachen am jeweiligen Ende im Halse stecken bleiben soll.
Kamera (Javier Julia) und Schnitt (Pablo Barbieri Carrera) sorgen dabei für die passenden schrägen Blicke und Perspektiven, Musik und Wortwitz tun ein Übriges, das Komische mit dem Blutigen effektvoll zu mischen.
Kraftvoll-satirisch spiegeln sich nationale wie allgemeine gesellschaftliche Verhaltensweisen in diesen „wilden Geschichten“ über soziale Ungleichheit, überbordende Bürokratie, menschliche Überheblichkeit, Eitelkeit und Korruption. Getragen von einem grossen (und in Südamerika prominenten) Darstellerensemble, das mit viel Lust und Temperament die unterschidlichsten Typen und Charaktere aufeinanderprallen lässt: Menschen zwischen Tragik und Lächerlichkeit.
Es ist ein vergnügliches Spektakel, ein grell-bunter Käfig voller heutiger Alltags-Narren.
Filmisch sehr attraktiv präsentiert, unterhaltsam und kritisch zugleich –
nicht zufällig gehört zu den Produzenten dieser giftigen Komödie der spanische Regisseur Pedro Almodovár – nomen est omen…
PS. Der für die deutsche Synchonfassung hinzugefügte Untertitel „Jeder dreht mal durch“ trifft den Witz des Films kaum und  zielt wohl eher auf ein Publikum, das nur plattes Schenkelklopfen erwartet.
Poster/Verleih: Prokino Filmverleih
zu sehen: Babylon Kreuzberg (OmU); Hackesche Höfe Kini (OmU); International (OmU und dt.); Kino in der Kulturbrauerei (OmU und dt.); Odeon (OmU); Delphi; Yorck-Kino