Kriegs-Wort-Rätsel: ‚The Imitation Game‘ von Morten Tyldum***

„Enigma“ wurde eine kleine Maschine genannt, mit der im 2.Weltkrieg die deutsche Wehrmacht ihre telegraphisch übermittelten Truppenbefehle verschlüsselte. Ein Exemplar dieser Maschine fiel in die Hände des britischen Geheimdienstes, der zunächst vergeblich versuchte, den Code und damit die geplanten Truppenbewegungen und Angriffsziele der Deutschen zu dechiffrieren. Auf einem verborgenen Anwesen südlich von London gelang es schließlich einer Gruppe englischer Wissenschaftler unter Anleitung des Spitzen-Mathematikers Alan Turing eine raumfüllende Monster-Maschine zu bauen, die wie ein analoger „Computer“ funktionierte und die deutschen Kriegsdepeschen entschlüsseln konnte. Diese Erfindung musste aber streng geheim bleiben, damit die deutsche Wehrmacht nicht bemerkte, dass die Briten – und damit die Alliierten -  über ihre militärischen Pläne informiert waren. Historiker sind heute der Meinung, dass die von Turing entwickelte Maschine den 2.Weltkrieg stark abgekürzt hat.
Um diese Geschichte der Enigma-Entschlüsselung filmisch aufzubereiten, stellen der norwegische Regisseur Morten Tyldum  und sein Drehbuch-Autor Graham Moore – nach einer Buchvorlage – die Figur des Alan Turing (Benedict Cumberbatch) in den Mittelpunkt und gestalten ein auf drei Zeit-Ebenen erzähltes, opulentes Bio-Pic.
1. Turing als von seinen Mitschülern gehänselter Einzelgänger im Internat, dessen einziger und angeschwärmter Freund Christopher an Tbc stirbt; 
2. Turing als exzentrischer und arroganter Jung-Wissenschaftler, der sich bei der geheimen Enigma-Entschlüsselungs-Suche zunächst mit allen Vorgesetzten und Mitarbeitern anlegt, bis durch Vermittlung der einzigen Frau im Team, der jungen Mathematikerin Joan Clarke (nett: Keira Knightley), die Arbeits-Harmonie und damit auch der Erfolg hergestellt wird; 
3. Turing als älterer Uni-Professor, der Anfang der 1950er Jahre wegen seiner Homosexualität verurteilt und vor die Wahl gestellt wird: Gefängnis oder chemische Therapie. An deren Folgen physisch und psychisch erkrankt, endet er durch Selbstmord.
Alle drei Zeitebenen werden teils klug und erhellend, teils etwas plump und abrupt verschachtelt – wobei die Erfindung und der Bau des frühen „Computers“ den Großteil des Film ausmacht – durchaus spannend nach den bewährten Regeln des konventionellen (Hollywood-)Kinos in Szene gesetzt. Und (leider!) mit pompös-kitschigem Musik-Sound untermalt. Daß die historische Wahrheit, auf die der Film sich im Vorspann ausdrücklich beruft, in den Details einige Federn lassen muss, versteht sich bei einer solch üppig-farbigen Film-Biographie von selbst – und stört auch nicht weiter!
Was „The Imitation Games“ jedoch auszeichnet und über einen gefälligen, gut gemachten Unterhaltungsfilm hinaushebt, ist die schauspielerische Leistung von Benedict Cumberbatch als Alan Turing. Er zeigt das mathemathische Genie als einen unangepaßten, in sich selbst zurückgezogenen Mann, der zugleich sehr scharf die ihn umgebende Gesellschaft durchschaut, witzig und schlagfertig auf ihre oft unüberlegten oder oberflächlichen Sprüche und Handlungen reagiert, der aber auch an seiner Vereinsamung leidet – ohne sich dies selbst einzugestehen. Seine Homosexualität, die bildlich im Film nie gezeigt wird, dürfte diese Charakterzüge des Andersartigen und Isolierten bedingt oder zumindest verstärkt haben. Bewundernwert vor allem, mit welcher Intensität und Diskretion zugleich Benedict Cumberbatch dieses vielschichtige Portät zeichnet und wie er der Figur trotz ihres oft verletzten und verletzenden Stolzes und der daraus folgenden schroffen Extravaganz dennoch ihre tiefsten Geheimnisse belässt.
Die Nominierung als bester Darsteller für den diesjährigen Oscar ist eine schöne Anerkennung dieser herausragenden Leistung.

Poster/Verleih: SquareOne Entertainment

zu sehen u.a.: Capitol Dahlem; Cinema Paris; CinemaxX Potsdamer Platz; Titania Palast Steglitz; Cubix Alexanderplatz; CineStar Sony Center (OV); CineStar Tegel; CineMotion Hohenschönhausen; Filmtheater am Friedrichshain; Hackesche Höfe Kino (OmU); International; Kino in der Kulturbrauerei (OmU undd dt.); Neues Off (OmU); Odeon (OmU); Passage Neukölln; Colosseum; Zoo-Palast