Mit Tempo und Schnauze: ‚Eine Frau, die weiß, was sie will‘ in der Komischen Oper Berlin****

Der gefeierte Operetten-Star Manon Cavallini wird von Männern umschwärmt – auch von Raoul Severac, der gerade ihre 100.Vorstellung besucht, was selbst die Diva als enorme Leistung schätzt. Manon bekommt jedoch eine unerwartete Konkurrentin: die junge Lucie Paillard ist rasend in Raoul verliebt, will ihn heiraten und bittet Manon keck, ihn freizugeben. Manon willigt überraschend ein. Denn:  – was Lucie nicht weiß – sie ist ihre Mutter, der einst gerichtlich vom Vater untersagt wurde, wegen ihrer Tätigkeit beim Theater Kontakt zu ihrem Kind aufzunehmen. Als aber nach der Hochzeit von Raoul und Lucie es zu einem geheimnisvollen Souper á deux zwischen Manon und Raoul kommt („Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben…?“) und Lucie in flammender Eifersucht entbrennt, ob des vermeintlichen Seitensprungs ihres Gatten, spitzt sich der dramatische Knoten heftig zu – und löst sich selbstverständlich zum genreüblichen Happy End.
Ürsprünglich eine französisches Lustspiel, gestaltete der Komponist Oscar Straus (nicht verwandt mit der gleichnamigen Wiener Walzer-Dynastie!) aus diesem Stoff eine musikalische Komödie für die legendäre Operetten-Diva Fritzi Massary, die damit nach längerer Pause im Herbst 1932 ihre Rückkehr an das Berliner Metropol-Theater (heute das Haus der Komischen Oper) feierte. Zunächst ein Triumph, der aber rasch durch brutale „Juden raus“-Rufe gestört wurde und Fritzi Massary – wie auch Oscar Straus – ins Exil trieb.
Jetzt haben der musikalische Leiter Adam Benzwi und Regisseur Barrie Kosky den alten Erfolg neu arrangiert: und zwar als „Kammeroperette“, in der zwei singende Schauspieler in flinkem Kostüm- und Perücken-Wechsel alle Rollen übernehmen. Dazu bedarf es – zwischen dem (einschließlich der Musiker) hochgefahrenen Orchestergraben und dem samt-roten Bühnenvorhang – nur einer schmalen Wand mit Schwing-Türe – und schon purzeln Dagmar Manzel und Max Hopp zunächst in Frack und Zylinder als alte Verehrer der Diva Manon heraus, schwingen Bein und Gehstock, jonglieren mit Worten und Tönen, zünden mit Witz und Ironie ein atemberaubenden Feuerwerk komödiantischer Spiellust. Verschwinden immer wieder blitzschnell durch die auf- und zuklappende Türe und erscheinen im neuen Kostüm: Max Hopp als schrulliger Theaterdirektor, schwyzerdütsch näselnder Bankdirektor oder in rosa Robe und blonden Locken als aufgekratze Lucie, während Dagmar Manzel als Lucies clowns-trotteliger Vater, sächselnde Garderobiere und vor allen als kokett-elegante Operettendiva Manon begeistert. Im fließenden Glitzerkleid beherrscht sie dann mit sanft-schmeichelnden oder schlagfertig-trockenen Songs und Tönen das ihr zujubelnde Publikum  -  ein Frau, die weiß, was sie will (und kann!).
Barrie Kosky und Adam Benzwi haben genau den richtigen Dreh gefunden, aus einer alten 20er- Jahre-Operette mit ihren raffinierten Chansons und schmissigen Foxtrotts einen ebenso zeitgemäßen wie quicklebendigen, Unterhaltungsabend zu filtern – anderhalb pausenlose Stunden voll Witz und Charme und ohne tiefere Bedeutung.
Eine turbulente, musikalische ‚Comedia del arte‘ und ein ironischer Schaukampf zweier hochsymphatischer Rampensäue. Eins rauf mit Mappe!

Foto: Iko Freese/ Komische Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 3./ 8.Febr.//8.März //10.April 2015