Blick zurück ins Grauen: ‚Through Roses‘ in der Schiller-Theater-Werkstatt der Staatsoper****

„Musikdrama für einen Schauspieler und acht Instrumente“ nennt der amerikanische Komponist / Pianist Marc Neikrug (geb.1946) sein als Auftragswerk geschriebenes Stück, in dem er sowohl für den Text wie für die Musik verantwortlich zeichnet. Die Uraufführung fand 1980 in London statt.
Es sind die schrecklichen Erinnerungen eines jüdischen Geigers, der in Auschwitz zum Musizieren gezwungen wurde, überlebte und nun unter den fürchterlichen Erinnerungen qualvoll leidet. Am Schlimmsten: er beobachtete durch die Rosensträucher im Gartens des Lagerkommandanten, wie seine Lebensgefährtin in die Gaskammer gezwungen wurde, während er muntere Märsche  oder Walzer  spielen mußte.
Doch dieser Monolog entfaltet sich nicht chronologisch, sondern unterschiedliche Gedankensplitter überlagern und umkreisen sich scheinbar willkürlich. Auslöser ist dabei die Musik, sind die großen Werke deutscher Klassik, die der Geiger vor den Nazi-Verbrechern zu spielen gezwungen wurde. Marc Neikrug zitiert dabei Musik von Haydn über Beethoven und Wagner bis zur Zweiten Wiener Schule (die darüber hinaus Vorbild für sein eigenes, atonales Idiom ist). Aber diese Zitate erklingen nicht pur, sondern -  mehr oder weniger – verfremdet und verzerrt – gleichsam wie in der Erinnerung des traumatisierten Musikers. Am deutlichsten: der 2.Satz des „Kaiser-Quartettes“ von Joseph Haydn, der (nicht nur von den Nazis) als „Deutschlandlied“ vielfach mißbraucht wurde – jetzt in der Erinnerung von schrägen und schrillen Tönen zerissen. Große „humane“ Musik  -  grotesk- unmenschlich mißbraucht. Wurde sie dadurch auch zerstört?
In der Werkstatt des Schillertheaters sitzt das Publikum auf Bänken (ohne Lehne), die verteilt sind wie in einem „Klassenzimmer“. Der Schauspieler – Udo Samel in heller Hose und dunklem Jackett – läuft oder taumelt von seinen furchtbaren Erinnerungen geplagt zwischen diese Sitzgelegenheiten hin und her oder umkreist sie, die Musiker spielen (fast unsichtbar) auf der dunklen Empore (Leitung Felix Krieger). An den Wänden hängen einige Mäntel oder Kleidungsstücke – Erinnerung an die Ermordeten?  An den beiden Stirnseiten des Raums jeweils eine dunkle Höhle, schwarze Bretter, grauer Schotter (Ausstattung: Stephan von Wedel). Zwei kleine, adrett gekleidete Mädchen, die Töchter des Lagerkommandanten, tauchen gelegentlich in einer der Höhlen stumm auf, nur einmal schreit die Ältere den Geiger als „Schwein“ an.
Udo Samel spricht den Text sehr intensiv, einfühlsam, aber auch ganz unpathetisch. (So daß keine „falsche“ Betroffenheit aufkommen kann). Vielleicht hat ihm der Regisseur Neco Celik ein paar Bewegungen zuviel abverlangt (Kriechen auf dem Boden!), doch insgesamt gelingt eine ebenso stimmige wie packende Aufführung dieser schrecklichen Erinnerung an die Vernichtung von Menschen wie an die Zerstörung großer Musik.

Foto: Vincent Stefan

Premiere war am 13.Febr. / weitere Vorstellungen: 20./22./26./ 28.Febrr.2015