Spießer-Klamotte & Seelen-Strp: ‚Gianni Schicchi’*** und ‚Herzog Blaubarts Burg’**** in der Kom.Oper

Eine eigenwillige Zusammenstellung von zwei kurzen Opern: zuerst die Komödie „Gianni Schicchi“ von Giacomo Puccini und – pausenlos danach  – das Psycho-Drama „Herzog Blaubarts Burg“ von Bela Bartok. Zwar wurden beide Einakter – jeweils eine Stunde dauernd -  im gleichen Jahr 1918 uraufgeführt, haben aber sonst nichts Gemeinsames. Und auch ihre Neu-Inszenierung an der Komischen Oper ergibt in dieser Hinsicht keine wesentliche Erkenntnis. Gereizt hat wohl der starke Kontrast zwischen der turbulenten, italienischen Buffa und dem symbolistischen Horror-Märchen aus Ungarn.
Der spanische Regisseur Calixto Bieito gilt spätestens seit seiner brutalen, sexgeladenen Deutung von Mozarts „Entführung“ an der Komischen Oper als Bühnen-Berserker, auch wenn er sich in den letzten Jahren merklich zahmer zeigte. Die Geschichte von der florentinischen Erbschleicher-Familie und dem Oberschlitzohr Gianni Schicchi, der sich und seiner verliebten Tochter Lauretta den größten Batzen beim gefügigen Notar sichert, -  diese schwarze Komödie lässt Bieito als schreiend-bunte Klamotte in einem spießig-engen Schlafzimmer ablaufen, wobei er kein Italo-Klischee ausläßt – vom Madonnen-Kitsch-Bild an der Wand bis zum Pizza-Imbiß für die gesamte Sippschaft, vom Neffen in Radlerhosen, der Cousine im Leoparden-Fummel bis zu den Macho-Männern mit Godkettchen (Ausstattung/Kostüm: Rebecca Ringst / Ingo Krügler). Günter Papendell trägt als cleverer Gianni Schicchi eine schwarz-graue Halbglatze und managt listig die Testamentsfälschung, seiner Stimme fehlt  (noch?) ein wenig die komische Fülle. Kim-Lillian Strebel als modisch-häßliches Girlie Lauretta darf mit süßer Stimme ihren „Babino caro“ anhimmeln und das übrige, grosse Ensemble chargiert, daß die tapetengemusterten Bühnenwände sich biegen – ein grell-aufgedrehter Komödien-Stadl.  Viel Gelächter im Publikum.
Kaum haben die italienischen Knall-Chargen das Zimmer verlassen, treten Blaubart und Judith in langen Mäntel durch die Türe und lassen sich nieder. Doch während Blaubart noch seine neue Frau nach ihren Gefühlen befragt, teilen sich die Zimmerwände, fahren geräuschlos auseinander und verschwinden im Dunkel des großen Bühnenraums. Auf der nun rotierenden Bodenscheibe drehen sich diverse Kulissen-Teile – mal in den Vorder- dann wieder in den dunkel-dämmrigen Hintergrund fahrend. Die Frontwand eines Hauses mit geschlossener Türe und offenen, leeren Fenstern, eine Sofa-Ecke, auf der Blaubart – jetzt in einem seidig glänzenden Schlafanzug – und Judith – kurzer, schwarzer Rock, helle Bluse – Platz nehmen, dann eine Herrentoilette mit vielen Urinalen und Spiegeln, an denen sich Blaubart den Kopf blutig schlägt – von Judith mit wilder Kraft gestoßen. Die Auseinandersetzungen zwischen dem Paar werden immer heftiger, verbal wie körperlich. Dabei bleibt oft unklar, wer der Stärkere in diesem agressiven Geschlechterkampf ist, doch am Ende tötet Blaubart (in dieser Fassung) Judith, indem er sie unter seiner Körpermasse erstickt.
Calixto Bieitos Interpretation als moderne Zimmer- und Psycho-Schlacht – in seltsamem Kontrast zum sybolischen Märchen-Text des (ungarisch gesungenen) Librettos – läßt viele Fragen offen, bleibt in den Details öfters rätselhaft, überzeugt aber vor allem durch das vehemente Spiel und die sängerische Kraft der beiden (Gast-)Interpreten. Gidon Saks: ein physisch massiver, hochgewachsener Blaubart mit kraftvollem Bariton; die Littauerin Ausrine Stundyte: eine – gegenüber Blaubart – zierliche Judith, die jedoch durch körperliche wie stimmliche Flexibilität und Geschmeidigkeit zum echten Widerpart wird. Grosser Beifall für das Paar.
Sowohl bei Puccinis italienischer Komödie wie bei Bartoks farb-glühendem Expressionismus lässt das Orchester der Komischen Oper viele schöne Details hören. Henrik Nánási bleibt dagegen als Dirigent zu pauschal und vermag die Rafinessen der jeweiligen Partitur nicht voll auszureizen. Kein bedeutender, aber – wegen „Blaubart“ – durchaus sehens- und hörenswerter Abend.

Foto: „Gianni Schicchi“/ Monika Rittershaus/Komische Oper

nächste Vorstellungen: 07./15./19.März//05./12./17.April und 8.Juli 2015