Luxus-Kaufhaus als Liebes-Tempel: ‚Alcina‘ im Staatstheater Cottbus****

Die Zauberin Alcina, wohnhaft auf einer glücklichen Insel, verwandelt ihre abgelegten Liebhaber in Steine, Pflanzen oder Tiere. Zur Zeit hat sie den Ritter Ruggiero in ihren Bann geschlagen. Doch dessen Verlobte Bradamante gelingt es – verkleidet als Mann – durch ‚Schock-Therapie‘, Ruggiero von seinem Liebeswahn zu befreien, Alcinas Macht zu besiegen und auch die verwandelten Ex-Geliebten der Magierin zu erlösen – Ende gut, Alles gut.
Aus dieser Episode des Renaissance-Epos „Orlando Furioso“ schuf Georg Friedrich Händel eine italienische Oper, die er 1735 mit großem Erfolg in seinem Londoner Theater am Haymarket uraufgeführte. Ein Werk, ganz in der Theater-Form des Barock, in der neben allerlei szenischen Effekten die strenge Abfolge von (fast) ausschließlich Arien bestimmend war – Steilvorlagen für virtuose Sänger. Später wirkte diese Konzentration auf die Aneianderreihung von Solo-Nummern uninteressant und geriet in Vergessenheit. Erst heute wird diese barocken Opern wieder geschätzt – zum einen weil sie Sängern ermöglicht, sich virtuos zu präsentieren, zum andern weil sie Regisseuren großen Freiraum für szenische Fantasie lässt.
Beide Vorgaben weiß die neue und erste Aufführung von Händels „Alcina“ am Staatstheater Cottbus geschickt zu nutzen.
Der junge, englische Regisseur Sam Brown und seine vortrefflichen Ausstatter (Bühne: Simon Holdsworth, Kostüme: Ilona Karas) verlegen Alcinas mittelalterlichen Liebestempel in ein hyper-elegantes Kaufhaus namens ‚Elysium‘ zur Zeit der wilden „Roaring Twenthies“. Alcina ist die Herrscherin über luxuriöseste Waren und Heerscharen von Personal, der geliebte Ruggiero brilliert als hochmodischer Porträt-Fotograf. Inmitten des Kaufhaus-Gewusels gelingt es der verkleideten Bradamante (schicker, brauner Hosen-Anzug) und ihrem etwas steifen Anwalt-Begleiter, ein solches Durcheinander zu veranstalten, daß am Ende nach knapp drei turbulenten Stunden Alcina entnervt zusammenbricht und die verzauberten Liebhaber – in Käfigen eingesperrte Ballett-Gespenster – fröhlich in den Happy-End-Jubel miteinstimmen können.
Gesungen wird in Cottbus durchweg vorzüglich. Marlene Lichtenberg ist eine mezzo-glänzende, flinke Bradamante und Alexander Geller (trotz Erkältung) ein attraktiver Ruggiero mit hell-timbrierten Tenor (bei Händel einst eine Kastratenrolle). In der Titelrolle der Alcina beeindruckt im eleganten Chanel-Kostüm die junge Leila Salomé Fischer (als Gast) durch einen klar geführten Sopran mit schön-perlender Koloratur und eindringlich-intensiven Spiel. Auch das übrige Ensemble (darunter am Premierenabend Debra Stanley, Dirk Kleinke, Jeannette Wernecke und Ingo Witzke) zeigt sich in komödiantischer Hochform, während der Chor mehr als Kaufhaus-Komparserie in vielfältigen, stummen Mini-Rollen denn als wohlklingendes Ensemble in Erscheinung treten darf. Ivo Hentschel, der neue Kapellmeister, und die Musiker des Orchesters unterstützen die Sänger bei ihren (oft schwierigen) Arien bestens, klangschön mit wenig Vibrato und durchweg schwungvoll.
Ein schöner Beweis für die künstlerische Leistungskraft des Cottbusser Theaters.

Foto: Marlies Kross/ Staatstheater Cottbus

nächste Vorstellungen: 22.März/02.u.14.April/01.Mai/03.Juni 2015