Zwischen Maffia und Moral: ‚A Most Violant Year‘ von J.C.Chandor****

Abel Morales, aus Kolumbien stammend, hat sich in New York eine Existenz als erfolgreicher Geschäftsmann im Heizölhandel aufgebaut. Doch die Konkrurrenz schlägt zurück und schreckt dabei nicht vor Gewalt zurück. Die Fahrer von Morales ölbeladenen Transportwagen werden tätlich bedroht, entführt und der teure Inhalt gestohlen. Im Winter 1981, einem Jahr in dem die Kriminalität in New York – so die täglichen Radiomeldungen – einen Höhepunkt erreicht, wird es eng für Morales, zumal auch ein ehrgeiziger Staatsanwalt ihn der Steuerhinterziehung beschuldigt. Morales, der – nomen est omen – streng darauf bedacht ist, daß er und seine Mitarbeiter jederzeit legal handeln, gerät in die Klemme: ein Fahrer wird mit unerlaubter Waffe erwischt, die Steuerfahnder durchstöbern während einer Geburttagsfeier seiner kleinen Töchter seine neue, schicke Villa, die kreditgebende Bank zieht sich daraufhin zurück. Und Anna, seine mit der Buchhaltung beschäftigte Frau, gesteht, daß sie illegal Geld für einen eventuellen Notfall aus der Firma abgezogen hat. Noch kurz zuvor hatte Abel ein grosses Grundstück am Hafen auf Kredit gekauft, das geringere Wege und billigere Frachtkosten ermöglicht, gleichsam als Krönung seiner beruflichen Existenz. Plötzlich steht alles in Frage und Abel wird gezwungen zu handeln – auch gegen seine bisherigen Grundsätze.
J.C.Chandor, der schon 2011 in „Margin Call“ das amerikanische (Bank-) Business kritisch beleuchtete, schildert auch in seinem neuen, ins Jahr 1981 zurückverlegten Film eine böse Geschichte zwischen legalem Geschäft und Korruption, zeigt den Existenzkampf eines um korrektes und menschliches Handeln bemühnten Unternehmers mit den brutalen Geschäftsmethoden seiner Konkurrenten und dem Übereifer einer ehrgeizigen Justiz.
Inszeniert als spannender Krimi, bei dem die weiten, teils heruntergekommenen Hafen- und Lager-Platze – im Hintergrund die von kalter Wintersonne beleuchteten Wolkenkratzer Manhattens -  ebenso eine wichtige Rolle spielen, wie die immer höflich und diskrete geführten Verhandlungen und Unterredungen der Unternehmer, Kreditgeber und Rechtanwälte in schäbigen oder eleganten Büros, respektive Restaurants. Eine rasante Verfolgungsjagd, in der Abel einen der Entführer eines seiner Öltransporter zu fassen versucht, erst im Auto, dann zu Fuß, schließlich in der vollen U-Bahn bringt den Wendepunkt:  der gefaßte Öldieb verrät, an wen er seine Beute verkauft hat und gibt damit Morales die Möglichkeit, seinen Gegner zu stellen.
Paralell zu diesem Wirtschaftskrimi zeichnet der Film das eindruckvolle Porträt des energiegeladenen Unternehmer-Paares Abel und Anna Morales, das sich seinen Platz in der amerikanischen Gesellschaft mit zäher Energie erkämpft. Dabei erweist sich Anna als die Härtere, sie ist in diesem Business-Umfeld aufgewachsen, kennt die Spielregeln. Jessica Chastain spielt sie mit kühler Eleganz, ihre aufrichtige Zuneigung zu ihrem Mann ist dabei kein Widerspruch zu ihrem klaren geschäftlichen Verstand. Diesen Morales, der als Eingewanderter versucht, immer korrekt und legal zu handeln, verkörpert Oscar Isaacs als gutaussehenden Businessman mit grauen Schläfen, modisch-teurem Kamelhaarmantel und aufrechter Gesinnung – in jedem Moment überzeugend. Aber auch sportlich fit, um die körperlichen Strapazen des Jobs (und der Verfolgungsjagd) gut zu überstehen. Auch die übrigen Rollen sind hervorragend besetzt: typengerecht und individuell zugleich.
Ein starker Film: obwohl in einem eher unspektakulären Milieu angesiedelt (Heizöl-Lieferanten!), bleibt er optisch sehr effektvoll und spannend, die pyschologisch fein gezeichneten Charaktere werden exzellent gespielt und der harte Kampf um Geld und Macht ist heute so aktuell wie 1981.

Poster/Verleih: SquareOne Entertainment

zu sehen: CineStar Sony Center (OV); Filmkunst 66; Hackesche Höfe Kino (OmU); Intimes; Kino in der Kulturbrauerei (dt.u.OmU); Neues Off (OmU); Passage Neukölln; Colosseum