Charakterbild und Politthriller: ‚Der Staat gegen Fritz Bauer‘ von Lars Kraume****

Fritz Bauer – 1903 in Stuttgart geboren, 1968 in Frankfurt gestorben – trat schon in der Weimarer Zeit der SPD bei, engagierte sich als angehender Richter sozial- und justiz-politisch, emigrierte als (atheistischer) Jude 1936 nach Dänemark und Schweden und kehrte 1949 in die junge Bundesrepublik zurück. Einerseits um den Aufbau des demokratischen Rechtsstaates zu unterstützen, andererseits um überlebende oder untergetauchte Nazi-Täter zur Rechenschaft vor Gericht zu ziehen. Als Generalstaatsanwalt – vom hessischen Ministerpäsidenten Georg August Zinn berufen – wurde er zum entscheidenden Anreger und „Spiritus rector“ im Hintergrund der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, was ihm damals – neben internationaler Anerkennung -  auch viel Feinddschaft in allen Gesellschftsschichten, besonders in Justizkreisen, einbrachte. 1968 ertrank er unter ungeklärten Umständen in seiner Badewanne – ob Schwächeanfall, Suizid oder gezielter Mord läßt sich bis heute nicht aufklären.
Über Bedeutung und Figur Fritz Bauers gibt es zahlreiche Bücher und Artikel, ebenso wie Fernsehdokumentationen und Filme.
Insofern haben der Regisseur Lars Kraume und sein Drehbuchautor Oliver Guez die richtige Entscheidung getroffen, kein ausladendes Bio-Pic zu gestalten, sondern Persönlichkeit und Charakter Bauers ausschließlich anhand seiner Suche und Auffindung von Adolf Eichmann zwischen 1957 und 1960 zu schildern. Wie Bauer durch den Brief eines ehemaligen KZ-Häftlings von Eichmanns Aufenthalt in Argentinien erfährt, wie die deutsche Politik und Justiz, die immer noch stark mit ehemaligen Nazis durchsetzt sind, ihm einen Fahndungs- und Ausliefrungsantrag jedoch verweigern und er daraufhin – bewußt die damaligen Gesetze mißachtend – dem israelischen Geheimdienst Eichmanns Wohnort bei Buenos Aires mitteilt (vom Mossad dann auch geschnappt) – verbunden mit der Hoffnung, daß die Israelis den Prozeß gegen Eichmann ihm in Frankfurt überlassen würden.
Lars Kraume, der schon mehrere „Tatort“-Folgen inszeniert hat, versteht es geschickt, aus den nüchternen historischen Fakten einen packenden Politthriller zu gestalten – vor allem durch das freie Hinzufügen der Figur eines jungen Staatsanwaltes (gespielt von Ronald Zehrfeld)  und dessen damals noch strafbarem, schwulem „Coming-out“. Vor allem in den Dialogen zwischen Bauer und diesem aufstrebenden jungen Anwalt gelingt es, die Persönlichekeit Bauers plastisch zu zeichnen: seinen durchaus autoritäreren Stil im Umgang mit seinen Mitarbeitern, aber auch seine Klugheit, sein großes juristisches Wissen und seine eminente Urteilungskraft, sein zurückgezogenes Privatleben, in dem er sich klugerweise (da von feindlichen Kollegen umgeben) jeden „Fehltritt“ untersagt, seine daraus resultierende Einsamkeit, und immer wieder seinen unerbittlichen Willen, dem Recht und damit dem jungen, demokratischen Staat aktiv zu helfen. Daneben sorgen die Szenen, in denen der junge Anwalt seine eigene Homosexualität entdeckt, und damit erpressbar wird, für spannende, krimi-taugliche Unterhaltung.
Daß aber der von mehreren TV-Anstalten mitproduzierte Film zu einem auch emotionalen Erlebnis wird, verdankt er der großen schauspielerischen Präsenz und Wandlungsfähigkeit seines Hauptdarstellers Burghart Klaußner. Er vermag den harschen Charme – mit leicht mundartlicher Färbung – des engagierten Sozialdemokraten, wie auch den beschlagenen, kühlen Rechtsgelehrten, den einsamen alten Mann in seiner großen Frankfurter Wohnung wie den unverdrossenen Kämpfer für eine humanistische Gesellschaft ebenso glaubhaft wie eindringlich zu verkörpern.
Burghart Klaußner trägt den Film, alles andere ist gut gemachte, wenn auch teilweise klischeehafte Unterhaltung, Geschichts-Aufklärung für jüngere Generationen – wieder wichtig geworden in Zeiten eines politischen Rechtsrucks.

Foto/Plakat/Verleih: Alamode Film

zu sehen: Capitol; CinemaxX Potsdamer Platz; Delphi; Filmtheater am Friedrichshain; Hackesche Höfe Kino; International; Kino in der Kulturbrauerei; Neues Off; Passage; Yorck