Senioren-Treffen im Luxus-Hotel: ‚Ewige Jugend‘ von Paolo Sorrentino****

In einem teuren Wellness-Hotel am Fuß der Schweizer Alpen treffen sich – wie jedes Jahr -  zwei alte Freunde, beide im 80sten Lebensjahrzehnt: der Komponist und Dirigent Fred Ballinger (Michael Caine) und der Film-Autor und Regisseur Mick Boyle (Harvey Keitel). Während Fred, der von seiner Tochter und Managerin Lena (Rachel Weiz) begleitet wird, etwas selbstgefällig seinen Ruhestand pflegt und sogar das Angebot, nocheinmal vor der britischen Queen ein eigenes Werk zu dirigiren, ablehnt, bastellt Mick mit einer Gruppe junger Leute geschäftig an seinem angeblich letzten großen Film, der so etwas wie sein Vermächtnis werden soll.
Umgeben sind beide Freunde von einer Meute stink-reicher Leute, die versuchen ihre erschlafften Körper frisch aufzupäppeln: wie beispielsweise der fettgewordenen Fußballstar Maradonna mit Karl-Marx-Tätowierung auf dem Rücken, oder einem jung-verschrobenen US-Schauspieler (Paul Dano), der sich auf seine anstehende Filmrolle als Adolf Hitler (in einem deutschen Film) durch vorgebliche genaue Beobachtung der exzentrischen Hotel-Gäste vorbereitet.
Das ist mal lustig, mal skuril anzusehen – Senioren-Problemchen im besten Boulevardstil: von der Prostata, über Alt-Männer- Sex-Weisheiten bis zu knappen Rückblicken auf Versäumnisse und Fehler im eigenen Berufs- und Liebesleben. Auch die Rolle von Kunst und Künstlern, ihrer schöpferischen Kraft und Energie wie ihrer grausamen und törichten Eitelkeiten werden angesprochen. Durch kleinere Nebenhandlungen erweitert sich das unterhalsame Senioren-Geplänkel: Freds Tochter Lena wird von ihrem Ehemann, der zugleich Micks Sohn ist, plötzlich wegen eines Pop-Sternchens verlassen, was wiederum Anlaß zu Vorwürfen Lenas an ihren Vater bietet, daß er sich wegen Karriere und anderweitiger Liebschaften nie um sie und ihre Mutter gekümmert habe. Und am Ende muß Mick erfahren, daß aus seinem Film nichts wird, da die vorgesehene , zugkräftige Hauptdarstellerin eines besseren Angebots wegen absagt: ein furioser Kurzauftritt von Jane Fonda als resolut-egozentrischem Alt-Star.
Kurz: ein nicht allzu tief schürfender Reigen mal fröhlicher, mal melancholischer Alltags- und Alters-Weisheiten: alles schon bestens bekannt durch Film, Fernsehn und Literatur.
Was aber den Reiz und die Qualität des Film ausmacht, ist seine raffinierte und elegante Inszenierung, die nicht nur das vorzügliche Darsteller-Ensemble in ein höchst lebendig-warmes Licht rückt. Die Kamera von Luca Bigazzi komponiert erlesene Bilder, gleitet fließend durch die noblen Salons und Massage-Galerien des Hotels, schwelgt in den schweizer Berg- und Wiesenlandschaften, tastet ebenso geschmeidig wie präzise die Gesichter und Körper der alten wie jungen Protagonoisten ab. Naturtöne, Geräusche, klassische und populare Musik werden zur dezent-stützenden Klangkulisse verwoben. Reales Geschehen wird mit turbulent-verstörende Traum-oder Fantasie-Sequenzen raffiniert verschnitten und vermitteln dem Film so einen eigenwillig-überzeugenden Rhythmus.
Paolo Sorrentino küpft mit diesem optisch dominierten Stil, der deutlich Fellini zum Vorbild hat, erfolgreich an seinen letztes Werk „La Grande Belleza“ an, auch wenn sein Drehbuch nicht dessen Stringenz besitzt und sich durch die vielen Neben-Details allzusehr in die Länge zieht.
Dennoch: gefälliger Alters-Boulevard in filmischer Hochglanz-Präsentation.

Poster/Verleih:Wild Bunch Germany

zu sehen u.a. Acid-Kino; Bundesplatz-Kino; Capitol; Cosima; Delphi; Filmtheater am Friedrichshain; Kant-Kino; Kulturhaus Spandau; Kino in der Kulturbrauerei; Passage Neukölln; Sputnik;  im OmU: Hackesche Höfe; Neues Off,Tilsiter