Auswanderer-Romanze: ‚Brooklyn‘ von John Crowley***

Eine Kleinstadt in Irland, Anfang der 1950er Jahre; es herrschen Armut und Arbeitslosigkeit. Die junge Eilis lebt mit ihrer verwitweten Mutter vom kargen Bürogehalt ihrer älteren Schwester Rose. Da ihre Zukunft perspektivlos scheint, entschließt sie sich – wie viele andere Landsleute  auch – , nach Amerika auszuwandern. Dort findet sie Aufnahme in der irischen Gemeinde von Brooklyn, deren Pfarrer ihr einen Wohnplatz in einer Pension für junge Frauen und eine Arbeit als Verkäuferin in einem Warenhaus vermittelt. Doch die schüchterne Landpommeramze Eilis fremdelt in der riesigen Stadt, wird von heftigem Heimweh geplagt, auch wenn der Gemeindepfarrer als Gegenmittel eine Abendkurs-Ausbildung zur Buchhalterin arrangiert. Erst als Eilin sich in Tony verliebt, einen jungen Klempner mit italienischen Eltern, söhnt sie sich langsam mit der neuen Heimat aus. Der plötzliche Tod ihrer Schwester Rose ruft sie für kurze Zeit nach Irland zurück. Dort hat sich die Situation inzwischen geändert – eine Arbeit als Buchhalterin ist möglich, ein alter, wohlhabender Jugendfreund bietet ihr – und ihrer einsamen Mutter – Hand und Haus an. Doch Eilis schreckt vor der gesellschaftlichen Enge ihrer alten Heimat zurück und kehrt – innerlich zu Eigenständigkeit gereift – nach Brooklyn und zu Tony zurück.
Der irische Regisseur John Crowley („True Detective“/“Unter Beobachtung“) und sein renommierter Drehbuchautor Nick Hornby halten sich eng an die literarische Vorlage, den gleichnamigen, 2009 erschienen Roman von Colm Tóibín. Sehr feinfühlig und diskret erzählen sie Eilins inneren Prozeß des Erwachsenwerdens und der Loslösung von der alten und der Aussöhnung mit einer neuen,  fremden Heimat. Die sorgfältige Ausstattung, die ruhige Bildführung, die dezente musikalische Begleitung und ein bis in die kleinsten Nebenrollen überzeugendes Darstellerensemble – darunter Julie Walters als schlagfertig-strenge Pensionsbesitzerin und Jim Broatbent als lebensweiser Gemeindpfarrer – bewahren die glücklich endende Auswanderer- und Liebesgeschichte vor naheliegender Rührseligkeit und Kitsch.
Getragen aber wird der anrührende Film vom intensiven Spiel der irischen Hauptdarstellerin Saoirse Ronan. In ihrem hellhäutigen, offenen Gesicht, auf dem die Kamera öfters lange ruht, spiegelt sich – ohne überdeutliche Mimik – die sanfte Wandlung von der scheuen, irischen Auswanderin zur selbstbewußten, amerikanischen Neubürgerin.
Daß der Film, der Eilins Story in 113 Minuten erzählt, nicht die Dichte und Tiefe der literarischen Vorlage erreichen kann, muß in Kauf genommen werden – bei aller filmischen Stimmigkeit und Schönheit der Bilder vom ländlichen Irland und großstädtischen Brooklyn.
In drei Kategorien (Bester Film; Beste Hauptdarstellerin; Bestes adaptiertes Drehbuch) ist „Brooklyn“ für den diesjährigen Oscar nominiert.

Poster/Verleih: Fox Deutschland

zu sehen u.a.: CinemaxX Potsdamer Platz; CineStar Sony Center (OV); Filmtheater am Friedrichshain; Hackesche Höfe Kino (OmU): Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei (dt. und OmU); Passage Neukölln; Rollberg-Kino (OmU); Zoo-Palast; Thalia-Theater Potsdam (dt. und OmU)