Bildungsbeflissen: ‚Mord an Mozart‘ in der Staatsoper im Schillertheater**

Nach allem was man heute weiß, ist Wolfgang Amadeus Mozart im Dezember 1791 eines natürlichen Todes gestorben. Doch schon bald danach kamen erste Verschwörungstheorien auf : daß das Genie vergiftet worden war und zwar von seinem angeblichen Todfeind Antonio Salieri, dem erfolgreichen Hofkapellmeister aber mittelmäßigen Komponisten.
Alexander Puschkin erfand 1830 ein Dramolett darüber, Nikolai Rimsky-Korsakow schuf nach dieser Vorlage 1898 eine kleine Oper. Doch dauert dieses Öperchen nicht einmal eine Stunde, so daß für einen vollen Theater-Abend üblicherweise ein weiteres (mehr oder weniger passendes) musikalisches Werk hinzugefügt wird.
Die Staatsoper im Schillertheater wählt einen anderen Weg und collagiert um  Rimsky-Korsakow’s „Mozart und Salieri“ herum einen „Kessel Buntes“.
1. Als Prolog: Klavier-Variationen von Mozart über eine Salieri-Arie vorgetragen auf verschiedenen Instrumenten wie Vibraphon oder Akkordeon.
2. Die Oper  „Mozart und Salieri“ von Rimsky-Korsakow
3. Von einem „Erzähler“ vorgetragene Briefe Sigmund Freuds an Albert Einstein über erotische und zerstörerische Triebe, umrankt von einer Mozartschen Violinsonate, die eine Geigerin mit Einstein-Perücke interpretiert .
4. Lesung des Kapitels „Der Großinquisitor“  aus Dostojewskijs Roman  „Die Brüder Karamasow“, verschnitten mit dem Streichquartett Nr.8 von Dmiti Schostakowitsch – gewidmet den Opfern von Gewalt und Faschismus – abwechselnd im Original und der Fassung für Streichorchester.
5. Als Epilog: eine dissonantenreiche Übermalung von Mozarts Requiem durch den Hauskomponisten der Staatsoper Robert David Coleman, zu der nicht nur alle Mitwirkenden noch einmal singend oder musizierend auftreten, sondern auch die Gestalt des Aktionskünstlers und Kunsttheoretikers Joseph Beuy bedeutungsvoll mit Hirtenstab umherirren darf.
Dieser kulturgesättigte Mix aus Dichtung und Musik in Häppchen-Form – nur die Oper von Rimsky-Korsakow wird in Gänze geboten – spielt sich auf der Vorderbühne des Schillertheaters ab, dem überdeckten Orchestergraben, vor dem grau-glatten Bühnen-Vorhang, der gelegentlich als Schrifttafel dient und nur hochgezogen wird, wenn die Damen und Herren der Staatskapelle (die nicht an der aktuellen Japan-Tournee teilnehmen) im riesigen, dunkel gehaltenen Bühnenraum mit-musizieren müssen. Was sie auch munter tun.
Auch alle übrigen Beteiligten dieses ehrgeizigen Projekts sind exzellente Darsteller, Sprecher, Instrumentalisten und Sänger: Roman Trekel (Salieri), Stephan Rügamer (Mozart), Angela Winkler (Freud/Großinquisitor/Beuys), Adrian Heger (Pianist), Valentin Butt (Akkordeonist), Sophie Heinrich (Geige/Einstein).
Erdacht, gebastelt und gestrickt haben diesen knapp zweistündigen, pausenlosen Abend mit dem ironischen Untertitel „Eine relative Vernichtungstheorie“ der Dirigent Max Renne, die Regisseurin Elisabeth Stöppler, die Ausstatterin Annika Haller und der Dramaturg Jens Schroth.
Doch es ist vergebliche Liebesmüh‘ – die unterschiedlichen Teilchen fügen sich nicht zu einem überzeugenden Ganzen.
Dieser schillernde Bühnen-Cocktail – obwohl flott gerührt und geschüttelt – hinterläßt durch seine hochtrabende Bildungsbeflissenheit jedoch einen faden Nachgeschmack.

Foto: Vincent Stefan/Staatoper Berlin

Premiere: 28.Feb./ weitere Vorstellungen: 30.Jan.//02./04./07./13.Feb.2016