Kindesmißbrauch – eine Zeitung deckt auf: ‚Spotlight‘ von Tom McCarthy****

Der mit dem diesjährigen Oscar ausgezeichnete Film erzählt die „wahre Geschichte“ eines kleinen Reporter-Team der renommierten Zeitung „The Boston Globe“, das im Jahr 2001 das Vertuschungs-System der Katholischen Kirche über von Priestern mißbrauchte Kinder enthüllte. Zwar waren solche Vorfälle schon länger bekannt, aber von der Öffentlichkeit wie von der Presse nur als nebensächliche Notiz wahrgenommen worden. Erst der neue, aus Miami kommende Chefredakteur regt die vier hauseigenen investigativen Journalisten, die unter dem Namen „Spotlight“ arbeiten, zu ausführlicheren Recherchen zu Thema des sexuellen Mißbrauchs innerhalb der Bostoner Kirchengemeinden an. Dabei geht es – so der Auftrag – weniger um Einzelfälle, um Täter wie Opfer, als vielmehr um die Aufdeckung eines „Systems“: nämlich wie die Kirchenleitung – an ihrer Spitze der Kardinal – bewußt diese Verfehlungen vertuscht und „unter den Teppich kehrt“.
Der Film zeigt die mühevolle Arbeit der Journalisten: das Aufspüren und Anhören der Opfer (deren Zahl immer größer wird), das zeitraubende Durchsuchen von Kirchen-Verzeichnissen, Archiv-Akten und Gerichts-Zeugnissen über die Täter, die mühsamen und oft vergeblichen Versuche in diskreten Gesprächen mit Anwälten und Kirchenvertretern – offiziellen wie inoffiziellen -, Hintergründe zu erfahren, Bestätigungen zu bekommen. Es geht bei diesen Recherchen nicht nur um vordergründige, spektakuläre Außen-Wirkung – zumal Auflagenzahlen und Wettbewerb innerhalb des Zeitungsmarktes eine gewichtige Rolle spielen -, sondern auch um eine Reflexion über eigene (jounalistische wie menschliche) Verhaltensweisen und ethische Maßstäbe. Der Film endet mit dem Erscheinen des – duch „Nine/eleven“ um einige Wochen verzögerten – umfangreichen Berichtes am Dreikönigstag 2002. Der daduch ausgelöste (weltweite) Skandal innerhalb der Katholischen Kirche wird nur kurz im Abspann schriftlich angedeutet.
Bewundernswert, wie Regisseur Tom McCarthy, der zusammen mit Josh Singer auch für das ebenfalls Oscar-gekrönte Drehbuch verantwortlich ist, diese an sich nüchtern-trockene Journalisten-Story schnörkellos und geradlinig – wenn auch auf konventionelle Weise – erzählt. Er verzichtet ganz auf filmische oder spektakuläre Extravaganzen und trotzdem gelingt ihm eine sehr farbige, abwechslungsreiche, klug-unterhaltende und spannende Film-Inszenierung.
Getragen von einer beweglich-eleganten Kamera (Masanobu Takayanagi) und einem exzellenten Schauspieler-Ensemble, überzeugend bis in die kleinsten Nebenrollen. Michael Keaton, Mark Ruffalo, Rachel McAdams, Brian d’Arcy James bilden das charakterlich sehr unterschiedliche, aber bestens aufeinander eingeschworene Reporter-Team, John Slattery ist ihr manchmal bedenken-tragender Vorgesetzter und Liev Schreiber verkörpert den immer die Ruhe und Distanz wahrenden Chefredakteur, einen wagemutigen, jüdischen Außenseiter in der stark irisch-katholisch geprägten Gesellschaft von Boston.
„Spotlight“ reitet keine Attacke gegen den Glauben, er kritisiert aber scharf das zwiespältige Verhalten kirchlicher Institutionen und er diskutiert – durchaus selbstkritisch – Sinn, Aufgabe und Bedeutung der (damals noch nicht durch-digitalisierten) Presse. Jener sogenannten „Vierten Macht“, die in demokratischen Staaten das Handeln von Parlament, Regierung und Justiz kritisch beobachtet – nicht nur in Boston.

Poster/Verleih: Paramount Pictures Germany

zu sehen u.a.: Central Hackerscher Markt (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; CineMotion Hohenschönhausen; CineStar Treptower Park; Cubix Alexanderplatz; CineStar Sony Center (OV); Eva Lichtspiele; Filmkunst 66; Filmtheaater am Friedrichshain (dt. u. OmU); Kino in der Kulturbrauerei (dt. u. OmU); Passage Neukölln (dt. u. OmU); Sputnik (dt.u.OmU); UCI Colosseum; Zoo-Palast