Barocker Ringelpiez: ‚Amor vien dal destino‘ in der Staatsoper im Schillertheater****

An ihrem Hochzeitstag mit König Turno begegnet Lavinia dem aus Troja ankommenden Helden Enea. Sie erkennt in ihm ihren Traum-Mann und auch Enea ist sofort in die ihm noch unbekannte latinische Schönheit verliebt. Doch bis sich das Paar endgültig findet, vergehen gut drei-ein-halb Opern-Stunden voller Missverständnis, Enttäuschung, Eifersucht und versöhnender Liebe. Kurz: eine schier endlose Abfolge von Rezitativen und Arien, gespickt mit raffinierten Koloraturen, Rouladen und Verzierungen aller Art. Duette gibt es kaum, Chorensembles – gesungen von den Solisten – nur zu Beginn und am glücklichen Ende. Es ist eine sehr gefällige Musik, abwechslungsreich in ihren unterschiedlichen Stimmungen und außergewöhnlich farbig in der Instrumentation. Klangschönes Stimmfutter für virtuose Sänger und perfekte Instrumentalisten. Der aus dem Veneto stammende Agostino Steffani hat diese Oper – neben seiner Tätigkeit als Diplomat – für den kurfürstlichen Hof in Düsseldorf geschrieben, dort wurde sie 1709 uraufgeführt – und verschwand danach in den Archiven. Jetzt hat der umtriebige René Jacobs den barocken Liebesreigen erstmals wieder für eine Theateraufführung bearbeitet und zusammen mit der „Akademie für Alte Musik“ und einer exzellenten Sänger-Schar in der Staatsoper im Schillertheater einem begeisterten Publikum vorgestellt. Klar: er ist die treibende und inspirierende Kraft, feuert Sänger und Musiker an, sorgt aber zugleich für die Balance zwischen theatralischer Dramatik, lyrischem Innehalten und gelegentlich draller Komik. Komik ist auch das Stichwort für die klug durchdachte Regie von Ingo Kerkhof – grell geschmikt, mit bizarren Frisuren und Barock-Kleidern aus weißer Seide tanzen die Personen wie elegante Marionetten um den Orchestergraben herum, verstecken sich in einem hohen Schilf-Gebirge auf der Hinter-Bühne oder spielen olympische Götter mit goldenen Halb-Masken vor roten Samtvorhängen. Dennoch werden die Empfindungen der Personen nie der Lächerlichkeit preisgegeben, dürfen ihre inneren Gefühle sensibel aussingen, während das komische Dienerpaar, besonders die von einem Tenor gespielte Amme, dralles Volkstheater bietet. Keine Meister-Oper, dazu bleibt sie zu höfisch-konventionell, aber eine hübsche Ausgrabung, fabelhaft musiziert, prachtvoll gesungen (Katarina Bradic, Robin Johannsen, Olivia Vermeulen, Jerremy Ovenden. Mark Milhofer, Gyula Orendt, Rupert Enticknap) und mit Witz und Ironie effektvoll präsentiert. Ein Bonbon für die Freunde „alter“ Musik.