Musik im Blut: ‚Heute Nacht oder nie‘ in der Komischen Oper****

heute nacht oder nieDer Vorhang geschlossen, davor gruppiert sich – auf flachen Treppenstufen – das Orchester der Komischen Oper, vom Flügel aus – vorne links – leitet und dirigiert Kai Tietje den anderhalb-stündigen, pausenlosen Abend: vorwiegend Musik aus den „goldenen“ Zwanziger und beginnenden Dreißiger Jahren. Es sind Kompositionen des russisch-jüdischen Musikers Mischa Spoliansky, einer Ikone des Kabaretts, der Revuen und des fühen Tonfilms im damaligen Berlin. Später musst er – wie viele seiner Kollegen – ins Exil, in England fand er dann eine neue, nicht nur musikalische Heimat.

Sieben Solisten der Komischen Oper, darunter die Geschwister Pfister, singen und tanzen – zwischen den Orchestermusikern – Spolianskiy’s flotte Melodien, überwiegend Auschnitte aus legendären Revuen wie „Es liegt in der Luft“ , „Wie wird ich reich und glücklich“ oder aus den ersten Tonfilmen jener Zeit wie das titelgebende „Heute Nacht oder nie“ (aus dem – wie damals üblich – in drei Sprachen gedrehten Ufa-Streifen „Das Lied einer Nacht“). Doch es ist keine simple Schlagerparade mehr oder weniger bekannter Oldies, sondern das Arrangement (Inszenierung: Stefan Huber) zielt auf die doppelten Seiten der damaligen Unterhaltungs-Musik: ihren witzig-eleganten Pfiff und äußerlichen Glamour wie auch ihren düster-politischen Unterton.

Alle Sänger treten im typisierendem Kostüm auf: das liebessüchtige Fräulein, der prollige Taxichauffeur, der piefige Beamte, der schüchterne Provinzler. Natürlich sind die 3 Pfister dabei der Clou: Ursli (Christopf Marti) als die Lesbe, mit schwarz umrandeten Augen ein morphiumsüchtiger Anita-Berber-Verschnitt, Toni als übergewichtiger, fettwanstiger Kapitalisten-Boss und Andreja Schneider mit viel Temperament und grünem Lockenschopf eine grelle Hure. Gelegentlich hüpften noch vier Girls und Boys (soweit Platz vorhanden) als Mini-Chorus umher: The Show must go on!

Spoliansky’s ebenso facetten- wie einfallsreiche Musik, die satirisch-witzigen Texte (u.a. Marcellus Schiffer, Georg Kaiser, Robert Gilbert)und die schmissige Interpretation durch Sänger wie Orchester, werden mit viel Beifall belohnt. Der Tanz auf dem Vulkan beginnt…

Premiere: 1.April 2016