In Kürze: drei Vorstellungen in der Staatsoper

1. „ORFEO ED EURIDICE“ von Christoph Willibald Gluck *** Premiere war bei den diesjährigen Festwochen unter Leitung von Daniel Barenboim. Die Aufführungen der Vorstellungen im Juni/Juli – teils mit veränderter Besetzung – dirigierte sein Assistent Domingo Hindoyan – elegant und klangschön. Star des Abends war – wie in der Premiere – der fabelhafte Counter Benjamin Metha, überzeugend in Ausdruck und stimmlicher Beweglichkeit. In Jürgen Flimms Inszenierung steht Orfeo zu Beginn am offenen Grab von Euridice. Er wie auch die (Chor-)Gäste in schlichter, zeitlos-modernem, dunklem Anzug: weiße Rosen werden ins Grab geworfen. Dann erlebt Orfeo – im Geiste und real auf der Bühne – noch einmal seinen Gang in die Unterwelt (schwarzer, fast dekorationsloser Bühnenraum) und das Elyseum (knall-buntes, begehbar-abstaktes Mobile nach einem Frank-Gehry-Entwurf), den zweiten Verlust der Gattin und das durch Amor arrangierte glückliche Ende der Gluck-Oper. Doch Barenboim/Flimm lassen danach nochmals den „Reigen seliger Geister“ erklingen und zeigen Orfeo wieder wie am Anfang trauernd an Euridices Grab: war alles nur ein schöner Traum…? 2. „DIE LUFT HIER: SCHARFGESCHNITTEN“ von Matthias Hanselmann** Eine 1994 in Stuttgart uraufgeführte, kurze Oper des Komponisten und Musikwissenschaftlers Matthias Hanselmann (geb.1960). Im Mittelpunkt der sieben Szenen: die Auswirkung der Isolationshaft von Ulrike Meinhof auf ihre Psyche, die von ihr bewußt erlebte Zerstörung ihrer Wahrnehmungsfähigkeit. Die Sängerin Olivia Stahn flüstert, raunt, spricht,schreit originale Briefzitate aus dem „Toten Trakt“. Kontrastiert und ergänzt durch Szenen mit Gedichten des von Stalin politisch verfolgten Dichters Ossip Mandelstamm. Auch der Opern-Titel ist ein Vers des in Sibirien verschollenen und wohl verscharrten Poeten. Außerdem enthält das Werk Anspielungen auf den Zerfall Jugoslawiens und die iranische Fatwa gegen Salman Rushdie – aber in der Inszenierung von Hans Werner Krösinger für die Werkstatt des Schillertheaters kaum erfahr- und nachvollziehbar. Die Zuschauer sind auf flachen Sitzgelegenheiten im Raum verteilt, ebenso die sechs Instrumentalisten, die vom Dirigenten Max Renne angeleitet werden. Das kleine Sänger/Darsteller/Musiker-Ensemble zeigt viel Engagement, doch das Werk (dessen Textauswahl Ernst Poettgen besorgte) und die Inszenierung bleiben oft rätselhaft und unverständlich – besonders ohne Lektüre des Programm-Blatts. 3. „LUCI MIE TRADITRICI“ von Salvatore Sciarrino *** Eine Koproduktion der Staatsoper mit dem Teatro Communale in Bologna (dort Premiere: 14.6.16). Jetzt wurde die 70-minütige Produktion im Schillertheater innerhalb des Festivals für Neues Musiktheater „Infektion!“ übernommen. Die Geschichte beruht auf der Eifersuchts-Tat des alt-italienischen Komponiste Carlo Gesualdo, der seine Frau und deren Liebhaber ermordete. Bei Sciarrino jedoch stark abstahiert. Ein Graf, eine Gräfin, ein Gast und ein Diener sind die vier Personen, die in einem bürgerlichen Salon das Spiel von Liebe, Eifersucht und Tod durchexerzieren – in der Inszenierung von Jürgen Flimm gleichsam als makaber-komisches Grusical, einem stilistischem Regie-Mix mit Hang zur Klamotte. Ein wenig Commedia del Arte in der spionierenden Dienerfigur, der exaltierter Psycho-Krieg zwischen dem Ehepaar und ein symbolisch-gotesker Doppelmord am Ende, bei dem der Graf sich hochsymbolisch die riesig-schwarzen Flügel eines Todes-Engels umschnallt, mordet und dann bilanziert: „Lebt wohl! Ich werde auf ewig in Qualen leben!“. Musikalisch raffiniert changierend zwischen Geräuschen und Tönen, meist zart und fragil in der Begleitung durch ein kleines Orchester (präzis geleitet von David Robert Colemman), doch mächtig auftrumpfend in den effektvollen (schwierigen) Gesangspartien. Glanzpunkte der Aufführung sind die vier virtuosen Sängerdarsteller (Gräfin:Katharina Kammerloher, Graf:Otto Katzameier, Gast:Lena Haselmann, Diener:Christian Oldenburg), die mit ihrem stupenten musikalischen Temperament und ihrer Spielfreude dem turbulenten Bühnen-Spektakel kräftiges Theaterblut einflösen.