Leerlauf: ‚Comeback‘ in der Schiller-Werkstatt (Staatsoper)***

Zwei berühmte Theater- und Film-Schauspieler erinnern sich an ihr Leben und ihre Karriere, die stark vom politischen Hintergrund der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts beeinflußt waren: Tilla Durrieux (1880 – 1972) und Emil Jannings (1884 – 1950). Beide wurden zu Stars in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts – Durrieux hauptsächlich auf den Bühnen in Berlin, Jannings vor allem durch in Babelsberg und Hollywood gedrehte Stummfilme. Nach 1933 ging Tilla Durrieux iins Exil nach Zagreb, während Jannings als Mitläufer in den Propaganda-Filmen der Nazis brillierte. Nach 1945 erhielt er darum von den Alliierten lebenslanges Berufsverbot, zog sich nach Kärnten zurück, wo kurz darauf er an Krebs starb. Tilla Durrieux, deren jüdischer Mann von den Nazis in Kroatien umgebracht wurde, verdingte dort sich als Näherin in einem Puppentheater, kehrte 1952 nach Deutschland zurück, wo ihr eine beachtliche, aber mühsam erworbene Alterskarriere glückte.

Das Libretto schrieb der Schriftsteller Christoph Hein, der bereits vor ein paar Jahres ein (am Deutschen Theater uraufgefürtes) Stück über die Durrieux verfasst hatte.  Für das Musiktheater „Comeback“ schaltet er Erinnerungs-Szenen von Durrieux und Jannings abwechselnd parallel und läßt sie so zeitlich chonologisch deren Schicksal erzählen. Doch was vielleicht auf dem Sprechtheater funktioniert hätte, erweist sich fürs Musiktheater als völlig untauglich. Auch wenn die Musik des noch jungen, argentinischen Komponisten Oscar Straßnoy geschickt zeitgenössisches Idiom durch Anklänge an Jazz, Chanson oder Kabaret der 20er Jahre aufmischt – die singenden Theater-und Filmstars gerinnen zu manirierten Kunstfiguren, die sich in aufgebrezelten Platitüden ergehen. Da beide Figuren sich auch nie begegnen und in einen kontroversen oder spannenden Dialog treten, bleibt die für einen gelungenen Theaterabend notwendige Dramatik aussen vor: Langeweile stellt sich ein.

Die Aufführung selbst ist schlicht aber solide. Regisseur Ingo Kerkhof zeigt auf einer flachen, nur mit ein paar Requisiten (Sofa, Garderoben-Stange) bestückten Bühne das jeweilige Geschehen in klaren Bildern und einsichtiger Personenführung. Die Figur der Durrieux ist doppelt besetzt: die Schauspilerin Maria Husmann steckt als Tilla 2 wie einst Becketts Winnie („Glückliche Tage“) bis zur Taille im Boden, diverse Hüte und Fächer um sich herum, während die Sopranistin Jdie osephine Renelt als Tilla 1 sich im blaublassen Abendkleid frei bewegen darf: was der Wortverständlichkeit nicht gerade gut tut. Ralf Lucas  sitzt mit dunkler Brille als Jannings im Rollstuhl und gibt seinem kurzbehosten Neffen Jörg (Johannes Euler), der die Schauspiel-Kunst erlernen will, mit gewaltig dröhnendem Baß-Bariton platte Ratschläge, während seine Frau Gussy Holl (Nadia Steinhard)  dem schüchternen Jüngling erotisch zu Leibe rückt. Max Renne leitet die zehn Musiker der Staatskapelle (darunter Akkordeon, E-Gitarre und Schlagzeug) präzise durch Oscar Straßnoys Partitur, aber die Position dieses kleinen Orchesters auf dem seitlichen Balkon bringt die Klangbalance mit dem Ensemble auf der Bühne ins Wanken.

Nach 70 Minuten ist dieses musikalische „Comeback“ der beiden Alt-Stars des Berliner Theaters zu Ende – die Wiederbegegnung  hat sich kaum gelohnt !