Nebulös: ‚Der fliegende Holländer‘ in der Deutschen Oper Berlin**

Holländer DOBSchon zu Beginn der Ouvertüre fährt der glatte, graue Vorhang in die Höhe und gibt den Blick frei auf einen großen, dunkeln Raum. Nebel wallen vom Bühnenhimmel herab, Regen tropft laut in die Musik hinein. Am Boden kauert eine kaum erkennbare, männliche Gestalt offenbar von bösen Erinnerungen heimgesucht. Es ist – wie später klar wird – der Jäger Erik im grünen Wams, der nach Ende des Vorspiels an der Bühnenseite sitzen- oder stehen bleibt und das soeben erlebte Drama um den fremden Seemann und seine Braut Senta gleichsam in einer großen Rückblende nocheinmal miterlebt.

Richard Wagners „Fliegender Hollander“ (UA Dresden,1843) diesmal nicht wie schon öfters aus Sicht Sentas sondern aus der ihres Verlobten Eriks. Neue Erkenntnis über das eigenwillige Erlösungsdrama bringt das aber kaum.

Dafür spielten sich die Ereignisse zweieinhalb pausenlose Stunden in Dämmerlicht und Bühnennebel ab, nur ab und zu von grellen Lichtblitzen durchzuckt. Sentas Stube ist eine Art (zum Zuscher hin) offenes Zelt aus Segeltuch, wo sich dunkel gekleideten Frauen heftigst an alten Nähmaschinen betätigen. Sie und auch die ebenfalls dunkel kostümierten Matrosen bilden meist blockartige Gruppen, die fast tänzelnd gegen einander verschoben werden: der Regisseur Christian Spuck ist nämlich im Hauptberuf Chef des Balletts in Zürich. Verstärkt durch Komparsen inszeniert er hier gleichsam ‚düster-expressionistisches‘ Tanztheater.

Die übrigen Personen wie Kapitän Daland, seine Tochter Senta, der meist Kapuzen tragende Holländer sowie der gelegentlich sich einmischende Erik singen und spielen eher konventionell an der Rampe, wo sie immerhin klare Sicht in den Orchestergraben haben. Dort waltet Generaldirigent Donald Runnicles seines Amtes mit viel Gespür fürs dramatische Geschehen im feuchten Bühnennebel, zwar recht pauschal und aber bestens unterstützt von seinem Orchester, das die häufig gespielte Wagner-Partitur sicher beherrscht.

Der Koreaner Samuel Youn gilt als einer der führenden Interpreten des Holländers, litt in den ersten Vorstellungen jedoch unter leichter Indisposition, auch fehlt ihm darstellerisch die bühnen-beherrschende Ausstrahlung. Die Schwedin Ingela Brimberg bietet als Senta eine attraktive Figur und gleisenden Stahl in der Kehle – und muß am Ende diesmal durchs Messer sterben. Thomas Blondelle spielt den verzweifelten Liebhaber Erik mit Ausdruck und Tobias Kehrer überzeugt als Daland durch seinen runden Baß. Der Chor der Deutschen Oper zeigt sich durch die choreografische Regie zwar ungewohnt beweglich, doch musikalisch bleiben einige Wünsche offen – zu robust, zu laut.

Dieser neuer „Fliegende Holländer“ – grau in grau – ist zwar kein totaler Schiffbruch, aber doch recht unsanft gelandet –  oder gestrandet.

Foto: Ingela Brimberg als Senta / c. Thomas Jauk /Deutsche Oper Berlin

Premiere: 7.Mai, weitere Vorstellungen: 11./16./20.Mai // 4./10.Juni 2017