Natur-Mystik und Hakenkreuz: ‚La Dammnation de Faust‘ in der Staatsoper im Schillertheater***

Fausts VerdammnisDer amerikanische Filmregisseur Terry Gilliam („Time Bandits“/“Brazil“), geboren 1940 und berühmt als Mitbegründer von „Monty Python“, inszenierte 2011 erstmals eine Oper: „La Dammnation de Faust“ von Hector Berlioz an der Londoner National Opera. Diese Bühnenfassung des musikalischen Zwitters zwischen Oper und Oratorium (Uraufführung konzertant 1846 in Paris, erstmals szenisch 1893 in Monte Carlo) wird nach Palermo und Antwerpen nun auch in Berlin nachgespielt.

Darin zeigt Gilliam mit großem Aufwand an Bühnenbildern (Hildegard Bechtler), Kostümen (Katarina Lindsay) ,Licht (Peter Mumford), Video (Finn Ross), Chormassen (Martin Wright), Tänzern (Leah Hausman) und Komparsen zu Berlioz hochromantischer Musik eine grell-groteske Geschichte Deutschlands vom Königs- und Kaiser-Reich des 19.Jahrhunderts bis zum Holocaust der Nazis. Die dunkel glühenden Landschaften eines Casper David Friedrichs wandeln sich fast filmisch in die grotesken Politkonferenzen, die zum ersten Weltkrieg und zu dessen Massenschlachten führten, wandeln sich zu zwielichtig-schrägen Kneipen der 1920er Jahren mit ihren Otto-Dix-Figuren, danach marschieren Männerriegen in Braun-Hemden auf und mischen sich unter weiß gekleideten Turner-Scharen wie von Leni Riefenstahl choreographiert. Menschen werden verhaftet und ins Dunkle abtransportiert, das Ende wird beherrscht von Totengebein und leise  ausklingender Trauer im finster-leeren Bühnen-Raum.

In diese satirisch gebrochenen Geschichts-Bilder bettet Regisseur Gilliam die bekannten Faust-Szenen, so wie sie Berlioz nach Goethe zusammengestellt hat,  – technisch brillant, doch die damit beabsichtigte  Provokation läuft oft ins Leere. Gretchens (Margérithe’s) Schicksal als Jüdin, die ihre dunklen Haare eher komisch als erschreckend unter einer blonden Zopf-Perücke zu verstecken versucht, und ihre später erfolgende Verschleppung als Holocaust-Opfer sind zwar berührend, haben jedoch mit der Musik nichts zu tun. Der elegische Ton von Marguérithes berühmter Romanze zielt nun mal aufs Menschliche nicht auf Politisches. Andererseits verblasst die Figur des Faust in dieser Lesart zur schrullig-komischen Nebenfigur, die des Mephisto zum spöttisch-eleganten Show-Conferencier.

Simon Rattle rettet musikalisch den Abend, fächert die ganze Fülle von Berlioz‘ Musik brillant auf, spielt virtuos mit Rhythmus und Dynamik, von zarter Melancholie bis zum vielfarbigen Klangrausch, federnd und leicht, bestens unterstützt vom warmen Ton der Staatskapelle. Charles Castelnuovos Tenor klingt in der Rolle des Faust zwar rund und voll, doch eher nach italienischer als französischer Manier. Florian Boesch als Mephisto überzeugt durch einen runden, hohen Bariton und idiomatische Geschmeidigkeit, während Magdalena Kozenas Mezzo dem sanften Charakter Marguértithes eine schöne Festigkeit verleiht. Die Chöre, bestens vorbereitet, klingen ebenso macht- wie klangvoll.

Ein eigenwilliger, ungewöhnlicher Abend: seine hoch-theatralischen, fast filmischen Bild-Folgen bieten politisch-historisch viel Scherz und Satire, deren tiefere Bedeutung aber offen bleibt oder in die falsche Richtung läuft.  Musikalisch jedoch:  Berlioz vom Feinsten.

Foto: Matthias Baus /Staatsoper Berlin

Premiere: 27.Mai 2017, weitere Vorstellungen: 1./ 4./ 9./ 11.Juni 2017