Meine Berlinale 2018

Berlinale 182

 

EVA von Benoit Jacquot (französisch)

Neuverfilmung eines Romans von James Hadley Chase. Ein junger Tunichtgut namens Bertrand stielt einem sterbenden Schriftsteller das Manuskript eines Theaterstückes, veröffentlicht es, wird damit berühmt und reich. Sein Verleger, mit dessen Sekretärin Bertrand sich verlobt, wartet auf ein ebenso erfolgreiches, zweites Werk, das Bertrand jedoch nicht liefern kann. In einem Luxushotel beobachtet er die Edelprostituierte Eva, glaubt mit ihr die Figur für sein neues Stück gefundenzu haben und beginnt ein Verhältnis mit ihr. Doch die undurchsichtige, kühl berechnende Eva lässt ihn auflaufen…   Konventionell und bieder erzähltes Kino ohne jedes Raffinement. Und auch Isabelle Huppert kann diesen Schmachtfetzen nicht retten – die Rolle einer eiskalten Rechnerin  hat sie schon sehr oft und dann weit überzeugender verkörpert. Langweilig!

 

TRANSIT von Christian Petzold (deutsch, französisch)

Verfilmung des bekannten Romans von Anna Seghers, der die beklemmende Situation von vor den Nazis flüchtenden Menschen im überfüllten Marseille der 1940er Jahre beschreibt. Sie schildert deren Schicksale  und erzählt, wie sie versuchen, Schiffs-Passagen nach Amerika zu ergattern oder die gefährliche Flucht über die Pyreneen wagen. Der junge Deutsche Gregor nimmt die Idendität des Schriftstellers Weidel an, der in Paris Selnstmord verübte, obwohl er bereits Zusicherung und Visum für die Flucht nach Mexiko besaß. In Marseille trifft Gregor auf Weidels vorausgereiste Frau Marie, die noch nichts vom Tod ihres Mannes weiß, und die mit dem deutschen Arzt Richard, der ebenfalls auf eine Schiffspassagenach Mexiko hofft, in einem kleinen, schäbigen Hotel lebt. Soll Gregor ihr die Wahrheit gestehen?  Ihr zur Flucht verhelfen ? Mit ihm? Regisseur Christian Petzold lässt die historische Geschichte im heutigen Marseille spielen, moderne Autos fahren durch die Straßen, die Kleidung der Personen modern, wenn auch schlicht. Ob die damit angedeutete, allgemeine, „zeitunabhängige“ Flüchtlings-Situation überzeugt, bleibt offen und jedem einzelnen Zuschauer überlassen. Die dichte und bedrohliche Atmosphäre der Romanvorlage  ereicht der Film dadurch nicht – vielmehr scheint die Geschichte vereinfacht und kompatibel gemacht für ein breites Fernseh-Publikum (Mitproduzent: Arte/ZDF). Doch die flüssige Inszenierung und die guten Darsteller, allen voran der „Nachwuchs“ Franz Rogowski und Paula Beer, überspielen sowohl den unscharfen, politischen Hintergrund wie auch die spürbar literarische Sprache des Drehbuches und sorgen so für Spannung und Aufmerksamkeit.

 

FIGLIA MIA von Laura Bispuri (italienisch)

Ein einfaches Fischerdorf auf Sardinien, umgeben von sandigen Hügeln. Die Menschen leben vom Fischfang und dessen Verkauf. Die 10jährige Vittoria, auffallend blass und rothaarig, wird von ihren Eltern, besonders von ihrer Mutter Tina liebevoll umsorgt.. Doch langsam und ganz allmählich entdeckt das sensible Mädchen, daß Angelica, eine im Dorf umtriebige Blondine ihre wahre Mutter ist. Tina hat die kleine Vittoria nach ihrer Geburt von Angelica wegen deren unsteter Lebensweise (Männer/Alkohol) übernommen und großgezogen. Doch Vittoria freundet sich mit Angelica immer enger an, enteckt mit ihr einen Alltag ohne Ordnung und Regeln: ein harmonisches Zusammensein mit Tieren wie Hund und Pferden, lange Saziergänge durch die wilde Landschaft, das Erforschen von Höhlen in steilen Meeresfelsen. Bald kommt es zum Zerwürfnis: die beiden so gegensätzlichen Mütter, die liebevolle Tina und ungestüme Agelica, beginnen sich um Vittoria zu streiten, und dabei wird die 10jährige, die beiden zugeneigt bist, immer neugieriger und selbstbewußter..

Die italienische Regisseurin Laura Bispuri schildert auf sehr eigenwillige wie filmische Weise diese innere Entwicklung einer noch sehr jungen Frau, deren Reifeprozess von gegensätzlichen Vorbildern bestimmt wird. Die karge Landschaft und das ärmliche Milieu des sardischen Dorfes bilden den hochsommerlichen Hintergrund für die sich in ständiger Bewegung befindeten Personen – hautnah eingefangen von einer Handkamera und mit einer ausgeklügelten Tonspur fein unterlegt. Hervorragend sind die Darstellerinnen der drei Hauptrollen: Valeria Golina als fürsorgliche Pflegemutter Tina, Alba Rohrwacher als unangepasste Außenseiterin Angelica sowie die junge Sara Casu als wache, aber nie altkluge Vittoria. Auch wenn das Ende des Film sich allzu versöhnlich zeigt – „Filia mia“ besticht durch seinen engagierter Blick auf die Beziehungen  zwischen Müttern und Kindern und deren vielschichtige Entwicklung..

 

3 TAGE IN QUIBERON von Emily Atef (deutsch, französisch)

Im März 1981 gab die damals 42jährige Romy Schneider dem deutschen Magazin „Stern“ ein langes Interview.in einem Luxushotel in Quiberon in der Bretagne, wo sie sich einer Diät- und Alkohol-Entzugs-Kur unterzög. Das Gespräch mit dem Reporter Michael Jürgs und dem – befreundeten – Fotografen Robert Lebeck, das sie danach auch unzensiert zur Veröffentlichung freigab, beinhaltete  Äußerungen über ihre berufliche, private und finanzielle Situation und ist bis heute die Grundlage des schillerndes Bildes der deutsch-östereichischen Schauspielerin in der Öffentlichkeit: Freimütig spricht sie über ihre Eltern und den Beginn ihrer Karriere, über ihren Weggang aus Deutschland, wo sie ausschlißlich mit der“Sissi“-Rolle identifiziert wurde, über ihre Abneigung gegen die deutsche Presse und immer wieder über ihre Liebe zu ihren beiden Kindern, denen sie glaubt eine ungenügende Mutter zu sein.

Der in schwarz-weiß gedrehte Film der iranisch-französischen Regisseurin Emily Atef ist als Kammerspiel angelegt. Die von Großaufnahmen gepägten Interview-Szenen im Hotel (wobei die Original-Fotos von Robert Lebeck als Vorbilder dienen)  wechseln mit einem abendlichen, feucht-fröhlichen Ausflug in eine Hafenkneipe, wo eine Hochzeits-Party stattfindet, oder  – nach Ende des Interviews – mit einem Photoshoot auf den Meeres-Klippen, bei dem die gelöste und übermütig hüpfende Romy sich den Fuß bricht. Das alles geht über das gepflegte Fernseh-Format nicht hinaus – wenn nicht Marie Bäumer die zwischen Lachen und Weinen hin- und hergerissene Romy Schneider so überzeugend verkörpern würde. Ihr intensives Spiel macht den Film sehenswert, auch wenn über das historische Vorbild sonst nicht viel Neues zu erfahren ist.

 

ANG PANAHON NG HALIMAW (In Zeiten des Teufels) von Lav Diaz (tagalog)

Ein Dschungel-Dorfl auf den Philippinen, Ende der 1970er Jahre. Vom Diktator Marcos gebilligte Milizen ziehen marodierend duchs Land. töten, wer sich ihren Ordnungs-Vorstellungen nicht beugt, wer noch an Traditionen und altem Glauben festhält. Sie zerstören das dörfliche Krankenhaus, vergewaltigen die Ärztin, foltern deren Mann, einen Dichter, mißhandeln eine alte „heidnische“ Frau, brennen ihre Hütte ab, töten einen älteren Mann, der ihre Schandtaten und Morde anprangert.

Der inzwischen hochgeschätzte, philippinische Regisseur Luv Diaz setzt sich in all seinen Werken mit der post-kokonialen Geschichte seines Landes auseinander, diemal mit der Zeit, als Marcos fest im Sattel saß und ungehindert seine Willkürherrschaft ausübte. Das Besondere an diesem Film: bei aller realistischen Drastik der schwarz-weißen Bilder im alten Leinwand-Format läßt er die Dialoge nicht sprechen, sondern singen – a capella und in einfachen Melodien. Die Kamera, die oft mit Licht und Gegenlicht expressive Wirkungen erzielt, hält die Szenen in wenigen, meist starren Einstellungen fest, Szenen, die oft sehr lange dauern und sich so zu einer Gesamtlänge des Werkes von vier Stunden  addieren. Es sind kritisch-bewegende Episoden von Liebe, Schmerz, Gewalt und (ein wenig) Hoffnung – in einer kühnen, strengen und überzeugenden Form. Das Gegenteil von Kino á la Hollywood!

 

MUSEO von Alonso Ruizpalacios (spanisch, englich)

Juan und Wilson, zwei Studenten aus wohlhabenden Familien, rauben geschickt und erfolgreich in der Weihnachts-Nacht mehrere Klein-Platiken der Maya-Zeit aus dem Archäologischen Museum im Mexiko-City. Auf einer Autofahrt zu den Ruinen von Palenque und anschließend nach Acapulco versuchen sie die wertvollen Kunstwerke – mit Hilfe eines befreundeten Fremdenführers – füe eine hohe Geld-Summe zu verkaufen. Doch unerfahren und naiv wie sie im internationalen und illegalen Kunsthandel sind, mißlingt der geplante Coup  gleich mehrmals…

Auch wenn es ein tatsächliches Vorbild für diesen Kunstraub gibt, erzählt der Film seine  Geschichte ziemlich unstimmig und unglaubwürdig. Zumal die Aktionen der beiden Studenten mit turbulenten Szenen in ihren personenreichen Familien kontrastiert werden, ohne daß dadurch die Story psychologisch klarer oder überzeugender wird. Weder komischen Szenen, exzentrische Kameraführung, bomastische Musik noch die wortlastige Mimik von Gael Garcia Bernal (Juan) –  all diese Tricks können die sich immer stärker ausbreitenden Langeweile in dem 126-minütigem Film  kaum verhindernden. Überflüssig!