Zuckerguß auf Trocken-Brot: „Das Wunder der Heliane“ in der Deutschen Oper Berlin****

HelianeEin Fremder (Tenor) versucht in einem diktatorischen Reich für ein freiheitliches Leben zu werben. Dafür wird er vom Herrscher (Bassbariton)  zum Tode verurteilt. In der Nacht vor der Hinrichtung besucht ihn heimlich die Frau des Herrschers, Heliane (Sopran). Eine zarte Beziehung entsteht zwischen ihnen, als deren Höhepunkt Heliane sich dem Fremden nackt zeigt. Der unerwartet eintretende Herrscher stellt Heliane nun ebenfalls vor das Gericht. Um sie vermeintlich zu retten, bringt der Fremde sich im Gerichtssaal um. Doch das eindringende und dem Herrscher ergebene Volk verlangt, daß Heliane den toten Fremden mit ihrer Zauberkraft wieder erweckt. Obwohl sie selbst daran zweifelt, gelingt es: der Fremde erhebt sich von seiner Bahre. Doch der eifersüchtige Herrscher ersticht nun Heliane, aber auch sie kehrt wunderbarerweise ins Leben zurück und schreitet mit dem Fremden einem Happy End entgegen…

.Dieses krude Libretto aus Tiefenpsychologie, Freiheits-Pathos und Glaubens-Kitsch im Stil der 1920er-Jahre, wurde vom damals sehr populären Wiener Komponisten Erich Wolfgang Korngold (1897-1957) mit einer ausladenden, vielfarbig-glühenden Musik umhüllt wird, eine üppige Partitur voll süffiger Melodien und dramatischen Ausbrüchen : effektvoll arrangierte Spätestromantik mit Sahnehäubchen.

Obwohl bei ihrer Uraufführung 1927 in Hamburg erfolgreich, vermochte sich die Oper kaum durchzusetzen, auch nach dem Ende des Nazi-Verbotes nicht – ganz im Gegensatz zur sehr viel besser gebauten „Toten Stadt“, dem deutschen Hauptwerk Korngolds, der in der 1930er und -40er Jahren als Schöpfer von Filmmusiken in Hollywood Triumphe feiern konnte („The Sea Hawk“ /“The Private Lives of Elizabeth and Essex“).

Erstmals nach 1945 präsentiert nun die Deutsche Oper dieses „Wunder der Heliane“ in Berlin – ein Experiment, das dank einer vorzüglichen Aufführung viel Beifall findet. Der Regisseur Christof Loy hat sich von Johannes Leiacker einen schlichten, holzgetäfelten Saal entwerfen lassen, in dem – mal in hellem Licht, mal im Halbdunkel – sich die mysteriösen Gerichtsverhandlungen abspielen. Loy zeichnet konventionell die Handlung nach, entwickelt die Charaktere präzise und phantasievoll. Besonders eindrucksvoll gelingt das quecksilbrig-wusselnde Eindringen des Volkes mit seinen agressiven oder beschwörenden Forderungen nach Tod und Rache: ein schöner und starker Kontrast zu den etwas länglichen Dialog-Szenen davor..

Doch auch Christof Loy könnte diese „Heilige“ Heliane nicht retten, würde der Amsterdamer Chefdirigent Marc Albrecht das um zahlreich „exotische“ Instrumente erweiterte Orchester der Deutschen Oper nicht zu so farbig-brillantem Spiel animieren. Auch der Chor klingt fabelhaft in seiner harmonischen Vielstimmigkeit (Einstudierung: Jeremy Bines). Getragen wir die Aufführung vorallem durch drei eindrucksvolle Gast-Sänger, die sich auch als überzeugende Schauspieler erweisen. Josef Wagner ist  – mit kernig dunkler Stimme – der alerte, männliche-diktatorische, von Eifersucht geplagte Herrscher im eleganten, dunklen Anzug, während der Amerikaner Brian Jagde dem idealistischen Fremden, der sich für Heliane opfert, mit helidisch gefärbtem Tenor klaren Umriß und festen Charakter.verleiht. Doch beherrschender Mittelpunkt ist Sara Jakubiak als Heliane: eine elegante Erscheinung, die sich in der Nacktszene ebenso selbstverständlich und natürlich bewwegt wie als kluge und selbstbeherrschte Ehefrau und angeklagte Königin. Ihre leuchtenden Sopran-Töne über dem schillernden Orchester-Teppich veredeln – unterstützt von den übrigen Sängern – die schwache, kitschnahe Story zumindst musikalisch zu einen  genußvoll–saftigen Opern-Abend.

Foto (S.Jakubiak/J.Wagner): Monika Rittershaus /Deutsche Oper Berlin

Premiere: 18.März 2018; weitere Vorstellungen: 22.3/ 30.3./ 1.4./ 6.4.2018