Altes Genre – frisch frisiert: ‚Slow West‘ von John Maclean***

Der 16-jährige Schotte Jay Cavendish folgt im Jahr 1870 seiner angebeteten Rose nach Amerika. Sie und ihr Vater sind dorthin geflohen, als beide unter Mordverdacht gerieten. Auf seiner Suche  trifft Jay in den Wäldern von Colorado einen wortkargen Mann, der sich Silas nennt und ihm gegen gute Dollars Schutz und Begleitung anbietet. Was der optimistisch-naive Jüngling, der nachts die Sterne mit der Pistole herunter schießen will, auch dringend benötigt, denn Wegelagerer, Kopfgeldjäger oder Indianer machen mit scheinbar wohlhabenden Fremden meist nur kurzen Prozeß. Daß Silas selbst an dem auf Rose und ihren Vater ausgesetzten Kopfgeld stark interessiert ist, erfährt Jay erst kurz bevor er nach mancherlei Zwischenfällen deren Hütte findet. Es kommt – wie es kommen muß – zum dramatischen Finale, in dem immer mehr Kopfgeljäger auftauchen und alle sich blutig-brutale Schlachten liefern – auf deren Höhepunkt die wild mit dem Gewehr sich verteidigende Rose unbewußt den sie anbetenden Jay tötet.
Im Gegensatz zum „Slow“ im Titel ist dieser Neo-Western recht kurz – 84 Minuten – und vom britischen Spielfilm-Debütanten John Maclean in knappen, schnell geschnittenen Bildern in Szene gesetzt. Dabei spielt die ironische Brechung des Geschehens eine wesentliche Rolle, denn im Gegensatz zu den romantischen Lebens-Vorstellungen des jugendlich-naiven Jay erweist sich die Realität als unbarmherzig und brutal – jeder ist hier ausschließlich auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Rose liebt den sie vergötternden Jay überhaupt nicht, Silas bietet seine schützende Hand nur, um so selbst das Kopfgeld zu ergaunern. Praktisch alle Figuren, die während der filmischen Reise gen Westen auftauchen, haben böse oder schlechte Absichten. Ein verzweifeltes Paar überfällt eine von Jay und Silas besuchte kleine Handelsstation, um an Lebensmittel heranzukommen – am Ende sind beide ebenso wie der alte Händler tot – und vor der Türe stehen artig wartend zwei halbwüchsige Kinder. Die Regie vermeidet alles Pathos, präsentiert gandiose Landschafts-Panoramen (in Neuseeland fotografiert!) und verfolgt seine oft kuriosen Figuren mit lockerem, fast satirischem Blick. Eine fiese Welt, ein menschlicher Scherbenhaufen, der nur durch ironische Distanz zu ertragen und abzubilden ist.
Das gut gecastete Schauspieler-Ensemble hat sichtlich großen Spaß an den Rollen der mehr oder weniger kauzigen Bösewichter. Michael Fassbender dominiert als undurchsichtiger Cowboy Silas mit wasserblauem Blick und überzeugt vor allem durch seine männlich-ruhige, aber ausdruckstarke Präsenz, während der australische Jung-Star Kodi Smit-McPhee den naiven Optimismus des schottischen Greenhorns Jay typgenau ausstrahlt.
Kein großer Film wie er in diesem uramerikanischen Genre etwa den Coen-Brüdern oder Clint Eastwood gelungen ist, aber doch frischer Wind in einer alten Kino-Kulisse – klug und unterhaltsam.

Foto: Prokino Filmverleih

zu sehen: Hackesche Höfe Kino(OmU); Intercontinental(OmU); Odeon(OmU); Rollberg(OmU); Kino in der Kulturbrauerei (dt. und OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Filmtheater am Friedrichshain; Kant-Kino; Passage Neukölln