Zwiespältiger Genuß: „Il viaggio a Reims“ in der Deutschen Oper Berlin***

Die „Reise nach Reims“ komponierte der damals auf dem Höhepunkt seines Ruhmes stehende Gioacchino Rossini aus Anlaß der Königskrönung von Karl X im Jahr 1825. Es wurde seine letzte Oper in italienischer Sprache, danach folgten nur noch französischen Werke des in Paris lebenden Komponisten. Trotz Akklamation bei der Uraufführung zog Rossini das „Drama gioccosa“ bald zurück, verwendete aber ein Gutteil der Musik in seiner folgenden Oper „Le comte Ory“ (1828). Erst 1983 erlebte die „Reise nach Reims“ ihre Wiederbelebung duch Claudio Abbado beim Rossini gewidmeten Pesaro-Festival. Den dortigen großen Erfolg, auf diversen Medien archiviert, wiederholte der italienische Star-Dirigent auf mehreren Bühnen, auch halb-szenisch in der Berliner Philharmonie.

Auch in der Deutschen Oper wird die historisch-komische „Reise nach Reims“ ein Erfolg – allerdings nur ein musikalischer. Ein aus Gästen und hauseigenen Sängern geschickt zusammengestelltes Ensemble läßt Koloraturen perlen, Melodien mal sanft erklingen, mal schmissig schmettern und in einem 14-stimmigen A-Capella-Chor klangsatt strahlen. Erstaunlich wie gut die Sänger miteinander harmonieren – keiner sticht als „Star“ heraus, alle beherrschen das italienische Rossini-Idiom vorzüglich – auch wenn sich gelegentlich einige nicht so perfekte Töne daruntermischen.  Der junge Dirigent Giacomo Sagripanti sorgt für Tempo und gute Balance zwischen Bühne und Orchestergraben. Daß dabei manche Passage oder Begleitung etwas pauschal gerät, fällt kaum ins Gewicht. Das musikalische Feuerwerk zündet!

Szenisch dagegen wirbelt die Klamotte. Regisseur Jens Bosse verwandelt das originale französische Kur- und Bade-Haus, in dem Adlige aus ganz Europa zur Krönung nach Reins aufbrechen wollen, in einen verspiegelten Riesen-Schlafsaal mit langen Betten-Reihen  links und rechts, in denen sich die einzelnen Herrschaften lümmeln und miteinander wenig originelle (Theater-)Scherze treiben. Dazu kurzberockte Krankenschwestern, die gleichsam als Backround-Girls die singenden Adlelshäupter um-tänzeln wie in einer platten TV-Show.  Koloratur mit Kissenschlacht. Und im zweiten Teil des fast dreistündigen Abends verschwinden alle Personen hinter grell-bunten Neon-Logos, die sie wie brave Revue-Statisten vor sich hertragen müssen. Aus der munteren Krönung wird langweiliger Komödienstadl.

Schade um Rossini und seine musikalisch so launige „Reise nach Reims“.

Premiere: 15.Juni 2018; weitere Vorstellungen: 22.; 24.; 30.Juni; 5.Juli 2018